Eine qualitative Einteilung von Whisky-Brennereien

Der Artikel über den Wert von Sammlerflaschen hat zahlreiche positive und negative Kritik verursacht. Die negative Kritik handelte meist von der fehlenden Bewertung des Geschmacks einzelner Flaschen. Zur Rechtfertigung sei gesagt, dass es in besagtem Artikel ausschließlich um die finanzielle Wertentwicklung von Whiskys ging. Kein Rauch, kein Sherryfass, keine Aromen. Nur Geld und sonst nichts.

Highland Park 18 Jahre neu
Highland Park 18 Jahre neu
und alt
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Bei schottischen Single Malt Whiskys in Original-Abfüllungen und bei unabhängigen Abfüllungen gibt es herausragende Geschmäcker, die ebenfalls Sammler auf den Plan rufen. Ist nicht ein Highland Park 18J aus 1997 deutlich mehr wert, als einer von 2003? 1997 gab es schließlich noch mehr Highland Park-Fässer, aus denen besserer Whisky ausgesucht und abgefüllt werden konnte. Die gleichen Zusammenhänge finden sich bei den stark nachgefragten Malts Ardbeg, Bowmore, Lagavulin und Macallan wieder.

Anmerkung: Dem Whisky-Neuling sei an dieser Stelle gesagt, dass ein Whisky, einmal in die Flasche gefüllt, nicht weiter reift und geschmacklich über Jahre nahezu konstant bleibt.

Nennen wir die Menschen, die diese Form des Whisky-Sammelns betreiben, die Genießer-Sammler, im Gegensatz zu den Wert-Sammlern aus dem oben genannten Artikel, die auf maximale Wertsteigerung aus sind.

Beide Sammler kaufen ihre Flaschen aus grundsätzlich unterschiedlichen Gesichtspunkten. Kann man den Wertzuwachs einer Flasche noch rationell in Euros oder Dollars angeben, so tun wir uns in der Hinsicht mit subjektiven Geschmäckern deutlich schwerer. Die Problematik zeigen die folgenden Fragen: Was schmeckt gut? Was schmeckt schlecht? Gibt es einen allgemeinverbindlichen Geschmack? Kann man sich auf die Aussagen Dritter über die Qualität von Flaschen verlassen?

Auch der Verfasser dieses Artikels hat sich als Genießer-Sammler ein paar Flaschen feinsten schottischen Malt Whiskys zurück gelegt, die in den kommenden Jahren zu ganz besonderen Anlässen geöffnet werden.

Genießer-Flaschen
Genießer-Flaschen

 

Doch werden diese Flaschen, wenn man sie in Zukunft öffnet, uns immer noch schmecken?

Geschmacks-Gedächtnis

Unser Geschmack verändert sich mit jeder neuen Geschmacks-Erfahrung. Hat unsere Nase und damit unser Gehirn einen neuen Stoff einmal 'erlebt', so haben wir uns ein wenig verändert. Mit diesen ständigen kleinen Änderungen sind wir geschmacklich über wenige Jahre zu einem ganz anderen Menschen geworden.

Der mit Abstand beste Whisky, den Horst Lüning seiner Meinung nach trinken durfte, war 1995 ein Strathisla 15 Jahre. Ein paar Jahre später hatte er erneut die Gelegenheit zu probieren. Der Malt schmeckte jedoch ganz anders, als er ihn in Erinnerung hatte. Sie war zwar noch immer eine gute Flasche, doch sein erweiterter Malt Whisky-Horizont hatte den Strathisla 15J durch eine Vielzahl von weiteren, hochwertigen Flaschen aus dem Whisky-Olymp verdrängt. Royal Lochnagar Selected Reserve, Mortlach 16J, Macallan 18J-1978 u.s.w. Das einzige, das in seinem Gedächtnis vom Strathisla 15J übrig geblieben war, war das mentale Etikett 'Bester Malt Whisky'.

Wie man sich täuschen kann! Aber so ist das Leben. Wir entwickeln uns persönlich immer weiter und sind überrascht, wenn Altes plötzlich nicht mehr gilt und sich unerwartete Veränderungen ergeben.

Whisky-Proben

Eine noch stärkere Problematik ergibt sich für den Genießer-Sammler, wenn er einen Malt probieren konnte und sich entschließt, eine ganze Flasche für später aufzusparen. Auf den ersten Blick ist dies eine sichere Sache. „Ich habe probiert und der Whisky schmeckt toll! - Ich kann nichts falsch machen“. Dies stimmt aber nur auf den ersten Blick. Unser Empfinden richtet sich nämlich nach unserer aktuellen Stimmung.

Es gibt zum Beispiel Tage, an denen schmecken einem nur ganz bestimmte Malt Whiskys. Und dann gibt es hin und wieder Tage, an denen auch weniger gute Malts ganz gut munden. Kauft man in diesem zweiten Zustand einen probierten Malt Whisky, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man in Zukunft mit dieser zuvor probierten Flasche trotzdem Probleme haben wird.

Whisky-Proben sind Höhepunkte eines Genießer-Sammlers! 6, 8 ja sogar 12 und mehr Proben gibt es anlässlich einer üppigen Tastingrunde zu verkosten. Hier lauern die Gefahren der Fehleinschätzung.

Ein alter Trick

Ein alter Winzer kennt einen Trick, um Weine ohne Panscherei für eine Weinprobe zu schönen. Die Kunst liegt in der Beeinflussung des Geschmackssinns zwischen den einzelnen Verkostungsgängen. Zu einer guten Weinprobe lässt sich der Winzer nicht lumpen und stellt Käse und Weißbrot auf den Tisch. Spätestens nach dem zweiten Glas spürt der Gast den Alkohol im Blut und beschließt ein Stück Weißbrot mit Käse dazwischen zu essen.

Was passiert dabei in unserem Mund? Der Speichel wird zur Förderung der Verdauung vom Körper mit Enzymen angereichert, die die Stärke im Mehl des Brots zu Zucker aufspalten. Das Brot schluckt man schnell hinunter, doch die verbliebenen Brotkrumen im Mund werden von den Enzymen auf diese Weise verarbeitet. Um diesen leicht süßlichen Geschmack zu verstärken, benötigt der Mensch etwas Fett und/oder Salz. Beide Geschmacksverstärker stammen aus unserer frühen Evolution. Jede Nahrung schmeckt uns besser, wenn etwas Fett und ein wenig Salz hinzu kommt. Das Fett und Salz aus dem Käse beginnen mit dem erzeugten Zucker recht schnell unseren Geschmack im Mund auf süßlich-angenehm für das kommende Glas einzustellen.

Doch das ist noch nicht alles: Nach dem zweiten oder dritten Glas beginnt der Alkohol unsere Nerven-Enden auf der Zunge und im Mund-/Rachenraum zu betäuben. Alkohol ist in hohen Dosen ein Nervengift. In mittleren Mengen wirkt es betäubend auf unsere Nerven, wie wir es nicht nur bei der Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr bemerken. Auch unser Geschmackssinn beginnt mit steigender Dosis schlechter zu funktionieren. Schon ab der dritten Probe ist unser Geschmackssinn massiv beeinträchtigt.

Ist deshalb Probieren vor einem Kauf grundsätzlich abzulehnen? Diese Frage, so unsinnig sie auf den ersten Blick erscheint, birgt ein kleines Stück Wahrheit. Sie sollten sich bewusst sein, in welchem Zustand sie einen Whisky probiert haben. War es der besonders gute 196x Glen XYZ, der als Nr. 8 Probe auf einem Tasting ausgeschenkt wurde? Direkt nach der intensiven Fassstärke? Oder haben Sie die Probe in schöner Gesellschaft, im schottischen Restaurant nach dem Mahl, vor dem Torffeuer mit wunderbarer Musikbegleitung, aber in verrauchter Atmosphäre zu sich genommen?

Alle Tasting-Veranstaltungen haben nur eins im Sinn. Ihnen die Zeit im Nachhinein als äußerst angenehm in Erinnerung zu halten. Dafür haben Sie schließlich bezahlt. Ihr Geld gaben Sie für ein tolles, ganzheitliches Erlebnis aus, das alle Ihre Sinne forderte. Je besser es war, um so schneller werden Sie wieder kommen und vielleicht noch ihre Freunde mitbringen - das ist die Motivation für Sie und für den Veranstalter.

Diese tolle Umgebung kann uns anschließend schaden, wenn wir einen Malt Whisky durch diese Form von gewollter, positiver Sinnestäuschung überbewerten. Typischerweise werden ja genau die verkosteten Flaschen anschließend zum Kauf angeboten. Zu Hause sitzt man dann in Ruhe mit seiner Neuerwerbung in bekannter Umgebung und erkennt den Whisky im Glas nicht wieder.

Lösungsansätze

Können wir einen Weg finden, der diese Probleme vermeidet? Es gibt im Moment vermutlich 2.000 Single Malt Whisky Abfüllungen auf dem Markt. Nur ein kleiner Teil ist wirklich hervorragend. Der große Teil ist Durchschnitt. Es gibt auch viel Schrott.

Was ist zum Beispiel mit einem Coleburn 1979 aus der Rare Malts Selection? Ist dieser Whisky gut, mittelmäßig oder eher schlecht? Kann man jemanden fragen? Gibt es eine Beschreibung in einem Buch? Hat der empfehlende Händler diesen Malt Whisky selbst probiert?

Coleburn 21J-1979 Rare Malts Selection
Coleburn 21J-1979 Rare Malts Selection

Befragung

Die Befragung von Personen, die diesen Whisky probiert haben, ist eine nahe liegende Möglichkeit. Falls Sie jemanden für einen speziellen Whisky kennen, so sollten Sie genau um ihre Vorlieben und Abneigungen Bescheid wissen. Befragen Sie einen Liebhaber von nicht-rauchigen und nicht in Sherryfässern gereiften Whiskys nach einem hervorragenden Sherryfass-Whisky, so werden sie ablehnende Äußerungen hören. Auch ein Liebhaber von rauchigen Malts wird dem Hilfe-Suchenden bei diesem Coleburn nur eine geringe Hilfe sein.

Doch auch bei übereinstimmender Grundtendenz (Rauch, Sherry) finden sich noch genügend Unterschiede zwischen Genießern. Man kann dies besonders gut bei den Autoren der bekannten Whisky-Bücher sehen.

Whisky-Autoren

Beispiel: Drei Whisky-Autoren und -Kenner geben die folgenden Beschreibungen für den gleichen, folgenden Malt Whisky ab:


1. Michael Jackson

Duft: Rauchig, 'gartenfeuerartige' Süße, Heidekraut, Malz, Hauch von Sherry.

Geschmack: Außergewöhnlich weich, saftig, mit rauchiger Trockenheit, süßem Heidekrauthonig und Malzigkeit.

Abgang: Ansprechend, Heidekraut, delikat.


2. Jim Murray

Duft: Feiner ansprechender Duft mit schwebendem Rauch über süßem Malt mit einer Spur salziger Eiche, Äpfeln und poliertem Leder und typischem Heidekraut.

Geschmack: Anfangs sehr malzig und frisch. Dann kommt eine rauchige Tiefe beschwerend hinzu. Eine sagenhafte bitter-süße Balance bildet sich zwischen der Süße und dem Honig aus.

Abgang: Lang und rauchig mit trockener Heide und Gewürzen.


3. Walter Schobert

Aroma: frisch und süß, weich, Honigsüße und leichter Torfrauch.

Geschmack: schöne, warme Schärfe, verbunden mit Honigsüße und ein bisschen Malz.

Nachklang: steht schön, leichter Rauch und Heidesüße klingen nach.


Diese drei Beschreibungen zeigen die volle Problematik individueller Geschmacksaussagen. Die Kenner haben alle Rauch, Malz, Honig und Heide in diesem Malt gefunden. Das ist bei weniger geübten Personen im privaten Umfeld selten so eindeutig der Fall. Doch die speziell gewählten Worte zeichnen drei unterschiedliche Bilder.

Bei Michael Jackson findet man in den Worten einen grundlegend süßen, weichen Tenor, von dem nur im Geschmack die rauchige Trockenheit abweicht. Jim Murray beschreibt diesen Malt zwar auch als süß jedoch mit keinem Wort weich. Die Betonung von salziger Eiche, poliertem Leder, die rauchige Tiefe, das Wort bitter-süß und die Nennung der Gewürze setzen einen deutlichen Kontrapunkt.

Walter Schoberts Beschreibung scheint in deutscher Schlichtheit irgendwo dazwischen zu stehen. Frisch steht gegen weich, schön gegen Schärfe und Heidesüße mildert den Rauch ab.

Welchen Single Malt Whisky haben wir vor uns? Einen kräftigen oder zurückhaltenden? Einen würzig-rauchigen oder einen honigsüßen Heidekraut Malt? Wie Sie sehen ist alles möglich. Um Sie nicht länger auf die Folter zu spannen: Die Geschmacksnotizen handeln alle über den Highland Park 12 Jahre. Die Michael Jackson und Jim Murray Tasting-Notizen wurden direkt aus dem Englischen übersetzt.

Highland Park 12 Jahre
Highland Park 12 Jahre

Wenn drei professionelle Whisky-Kenner bereits ein so weites Bild eines Malts zeichnen können, wie unterscheiden sich dann erst die Einschätzungen von weniger erfahrenen Bekannten? Sie sehen, auch die Hinweise von Freunden, Bekannten und selbsternannten Experten sind mit Vorsicht zu genießen. Sie müssen unbedingt die Vorlieben Ihres Gegenübers kennen, damit Sie dessen Aussagen gut einschätzen können.

Langfristig sollten Sie ihre eigenen Erfahrungen mit den Autoren vergleichen und sich den Autor aussuchen, dessen Geschmacksempfindung mit Ihrer eigenen am besten übereinstimmt.

Unabhängige Abfüller

Das funktioniert für die Originalabfüllungen der Brennereien ganz gut, denn sie sind in der Regel in allen Büchern gelistet. Doch was macht man mit unabhängigen Abfüllungen, die nicht in diesen Büchern aufgeführt sind? Diese Abfüllungen sind durch die große Nachfrage meist nur wenige Monate bis zu maximalen 2 Jahren erhältlich. Dann sind alle Flaschen verkauft und neue Fässer, falls vorhanden, werden mit unterschiedlichem Geschmack erneut abgefüllt.

Bei den experimentierenden Genießern hat sich der folgende Weg zum Herantasten an den Kauf eines unbekannten Malts herausgebildet:

1. Man kauft eine Flasche aus welcher Empfehlung oder aus welchem Anreiz auch immer und wenn sie über mehrere Verkostungen hinweg schmeckt, kauft man sich so viele Flaschen nach, wie man meint bunkern zu müssen. So logisch dieser Weg erscheint, birgt er jedoch das Risiko des ersten Fehlkaufs in sich. Also versucht man den Kaufanreiz logischer zu untermauern und den Nachteil des Blindkaufs etwas abzusichern.

2. Man ließt deshalb in Büchern über andere Abfüllungen dieser Brennerei und versucht herauszufinden, ob diese Brennerei einem zusagt oder nicht. Dazu kann man seine eigene Erinnerung an andere Flaschen aus der selben Brennerei, die Erfahrungen von Freunden und Bekannten sowie die der Buch-Autoren hinzu nehmen.

Ein Beispiel

Hier kommt ein klinisch-sauberes Beispiel: Nehmen wir an, die Brennerei Coleburn wäre mir gänzlich unbekannt. Ich möchte aber unbedingt eine Flasche probieren. Welche soll ich nehmen?

Coleburn Connoisseur’s Choice Gordon & MacPhail 1972/99 40% oder Coleburn Rare Malts Selection 21 Jahre 79/10.00 59,4%
Coleburn Connoisseur’s Choice Gordon & MacPhail 1972/99 40% oder
Coleburn Rare Malts Selection 21 Jahre 79/10.00 59,4%

Hört man sich um, so erfahrt man etwas über ganz tolle, längst vergriffene alte Coleburn Abfüllungen mir unbekannter unabhängiger Abfüller bis hin zu Aussagen, die von einem mäßigen, ganz typischen Speyside Malt sprechen. Mit 78 bis 100 Euro ist Coleburn heute nicht unbedingt ein Schnäppchen, wenn man mit einer dieser Flaschen einen dieser ganz durchschnittlichen Speyside Malts erwischen sollte.

Das Studium der Brennerei-Daten bringt zu Tage, dass die Brennerei bereits seit 1985 nicht mehr produziert. Ein gewisser Sammleraufpreis scheint bei den Flaschen bereits enthalten zu sein. Doch stammt dieser Aufschlag aus hervorragender Qualität oder eher aus der Knappheit der Ware?

Als nächstes werfen wir einen Blick in den kleinen Michael Jackson. Hier sind zwei nicht mehr verfügbare Coleburns von unabhängigen Abfüllern aufgeführt. Beide scheinen nicht so der Renner zu sein, da sie mit der untersten Grenze der von Michael Jackson vergebenen Punktzahl (67 + 68) bewertet wurden. Doch Michael Jackson ist nicht unfehlbar. Was sagen andere dazu? Walter Schobert hat etwas in seinem Notebook. Hier wird man fast genau fündig. Ein früher abgefüllter Coleburn von Gordon & MacPhail ist beschrieben. Doch die Wortwahl Säuerlichkeit und astringierend (zusammenziehend) klingen irritierend. Das fügt sich nahtlos in die Aussagen von Michael Jackson ein, der die unabhängigen Abfüllungen klebrig, sirupartig und mit Fruchtschalen beschreibt.

Spätestens jetzt sollten beim Kaufinteressenten alle Warnglocken läuten. Aus dieser Brennerei scheint kein guter Tropfen mehr auf dem Markt zu sein.

Wenn man nun immer noch eine Flasche probieren will, so bleibt der Risiko-Kauf der relativ gut bewerteten Rare Malts Abfüllung in Fassstärke zu 100 Euro.

Als Wert-Sammler empfiehlt es sich die Rare Malts Abfüllung des damaligen Brennerei-Besitzers zu erwerben und einen Aufkleber anzubringen: Nicht Trinken! Als Genuss-Sammler macht man jedoch besser einen weiten Bogen um alle Coleburns. Für weniger als 100 Euro erhält man bereits einen Glenlivet Sign. 26.03.76/15.4.02 56,5% Sherryfass, der mit Sicherheit der überwiegenden Anzahl an Genießern deutlich besser schmeckt.

Glenlivet Sign. Sherryfass 56,5% 26.03.76/15.4.02
Glenlivet Sign. Sherryfass 56,5% 26.03.76/15.4.02
Michael Jackson - Malt Whisky
Michael Jackson - Malt Whisky

Es gibt natürlich Whisky-Genießer, deren Geschmack unterscheidet sich erheblich vom Durchschnitts-Geschmack von Michel Jackson & Co. Für sie ist das Leben hart. Sie müssen sich ohne fremde Hilfe durch die Vielzahl an Malts probieren. Da die unabhängigen Abfüller jedoch aus Umsatzgründen versuchen, möglichst in der Nähe des Durchschnitts-Geschmacks der Kunden abzufüllen, wird diese kleine Gruppe an 'Außenseitern' zwangsläufig viele Enttäuschungen erleben müssen.

Statistik

Probieren wir doch einen ganz neuen Ansatz! Ein großer Whisky-Händler muss in der Lage sein, auf Grund der Vorlieben seiner Kundschaft eine mengenmäßige, statistische Aussage über die an seine Kunden verkauften Whisky-Flaschen zu machen. Nach dem Motto: 'Was den Kunden schmeckt, das kaufen sie nach.' Damit sollten sie erkennen, welche Brennerei den durchschnittlichen Kunden schmeckt und man sollte auch Empfehlungen für sie abgeben können. Doch auch hier steckt der Teufel im Detail. Das Marketing der großen Firmen verzerrt den Markt genauso, wie einige unabhängiger Abfüller, die ihre Ladenhüter in den Markt drücken müssen.

Lagerregale von Whisky.de
Lagerregale von Whisky.de

Doch ein wirklich großer Händler, der nicht nur von zwei oder drei Großhändlern seine Ware bezieht, ist unabhängig und diesen Marketing- und Ladenhüter-Zwängen nicht unterworfen. Über Hunderttausende an verkauften Flaschen ergibt sich für den Händler ein deutliches und scharf gezeichnetes Bild der Brennerei-Qualität aus Sicht seiner Kunden.

Von einem Großteil der Brennereien werden jedoch nur wenige hunderte Flaschen pro Jahr verkauft. Wogegen andere mit ihren Stückzahlen 5 bis 10% aller verkauften Flaschen stellen. Dabei geht es nicht um billige Einsteigerflaschen wie Glen Grant ohne Altersangabe oder Glenfiddich 12 Jahre. Wir reden hier von vielen verschiedenen Abfüllungen einer Brennerei mit unterschiedlichen Preisspannen und von verschiedenen Abfüllern, die ein gemeinsames und großes Bild zeichnen.

Risiko ...

Ist ein Kunde mit einem Kauf nicht zufrieden oder gar übervorteilt, dann merkt er sich drei Dinge. 

1. Den Händler, der explizit und direkt eine weniger gute Flasche empfiehlt. Der Kunde setzt diese Flasche mit dem persönlichen Geschmack des Händlers gleich. Wenn ihm der nicht zugesagt hat, wird er von diesem Händler keine Ratschläge mehr annehmen bzw. bei diesem Händler nicht mehr kaufen. Dabei ist es egal, aus welchen Gründen der Händler diese Flasche verkauft. Versucht er einen Ladenhüter in den Markt zu drücken oder weiß er es nicht besser? Beides ist gleich fatal für seine Reputation.
2. Den Abfüller, dessen Etikett auffällig auf der Flasche klebt. Er bekommt für eine schlecht schmeckende Flasche einen dicken fetten Minuspunkt. Bei jedem Ansehen eines Etiketts dieser Firma wird der Kunde an den schlechten Geschmack der einen Flasche erinnert. Und wenn dies die erste Flasche des Kunden mit diesem Label war, wird der Kunde Flaschen aus dieser Serie immer mit einem schlechten Whisky gleichsetzen.
3. Die Brennerei, die letztendlich die negativen Erfahrungen der Kunden mit allen Abfüllungen (Original und Unabhängig) aufsammelt. Denn der Brennereiname steht für die Produktionsmethode und meist auch für die Fassauswahl.

Beachtet man diese Gesetzmäßigkeiten des Marktes, so sieht man sehr schnell, warum manche Brennereien keinen Fuß auf den Boden bekommen. Schlagen wir den Bogen zurück zu Coleburn. Wenn drei Abfüllungen im Markt fragwürdige Kritiken der Bauchautoren erhalten, wird es ganz schön schwierig für eine vierte, neue Abfüllung, wie zum Beispiel die der Rare Malts. Auch wenn diese Rare Malts Serie eigentlich einen guten Ruf durch viele andere sehr gute Abfüllungen hat. Bei Coleburn bleibt die Mehrheit der Kunden skeptisch. Auch wenn einzelne mit vergangenen Abfüllungen gute Erfahrungen gemacht haben. Den Beweis für diesen Zusammenhang tritt der Coleburn mit seinem Verkaufspreis an. Die im Jahr 2000 gleichzeitig erschienenen Rare Malts von Teaninich und Cardhu waren bald ausverkauft und trugen schon bald einen um 20 Euro höheren Preis. Doch die Coleburn-Flasche benötigte Jahre länger, bis die Flaschen vergriffen waren. Ein echter Ladenhüter! Auch der Abfüller sammelt Minuspunkte. Hat er zu viele Brennereien mit einem schlechten Ruf im Programm, wird sein gesamter Ruf leiden. Langfristig wird ein Abfüller mit vielen Brennereien ohne guten Ruf nie einen großen Erfolg haben. Zu stark verhindern die zahlreichen bekannt schlechten Abfüllungen den Verkauf einer guten Flasche aus diesen 'belasteten' Brennereien.

Achten Sie bei den unabhängigen Flaschen deshalb auf das Abfülldatum. 3 Jahre alte unabhängige Abfüllungen, die sich bis heute nicht verkauft haben, sind in der Regel Ladenhüter. Erstkäufer haben sie nicht nachgekauft - sonst wären sie heute schon weg. Warum sollen ausgerechnet Sie sie jetzt kaufen? Nur weil ein Händler seine Ladenhüter mit viel Tamtam anbietet?

Anmerkung: Bei vielen unabhängigen Abfüllungen wird das Alter und der Jahrgang gemeinsam angegeben. Zum Beispiel 14J-1985. Addiert man Alter und Jahrgang, so erhält man 1999 für das Abfülldatum. Liegt dieses Datum wie in diesem Beispiel mehr als 3 Jahre in der Vergangenheit, so ist Gefahr bei der Qualität im Verzug. Es gibt natürlich Ausnahmen. Aber dieses Indiz sollte Ihre Vorsicht wecken. Letztendlich tut sich auch der Händler keinen Gefallen, wenn er zu viele 'belastete' Brennereien oder ‚belastete’ unabhängige Abfüller im Angebot hat. Natürlich kann kein Händler auf diese oft sehr seltenen Sammlerflaschen verzichten. Doch eine aktive Empfehlung dieser Flaschen wird die Kunden langfristig vertreiben.