Das Nosing Wheel: Vom Versuch Geschmäcker rational zu erfassen

Die Aromen im Whisky werden gerne auf einem Kreis, dem sogenannten Nosing Wheel aufgezeichnet. Dabei wird versucht, den Geschmack eines Whiskys möglichst rational zu erfassen. Jede Brennerei und jedes Blendunternehmen hat dazu ein eigenes System entwickelt. Lernen Sie in Video und Artikel was dahinter steckt!

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Was man von Whisky-Unternehmern lernen kann

Hört man Whisky-Experten eine Weile zu, so vernimmt man Geschmackserklärungen wie: 'ein leichter Mandelton verbunden mit Torfwasser!' oder 'leicht salzig mit Seegras-Aromen'. Der Whisky-Neuling wird sich verwundert fragen, wie jemand solche Aromen in einem Single Malt Whisky überhaupt erspüren kann? Und wieso sind es Mandeln und nicht Marzipan?

Der Mensch riecht 1.000 mal mehr, als er jemals schmecken kann. Wir sind von Geburt an zunächst mit wenig Geschmacksempfindungen ausgestattet. Die Geschmacksknospen auf unserer Zunge können nur 4 Hauptrichtungen unterscheiden: Sauer, salzig, süß und bitter. Süß schmecken wir ganz vorne an der Zunge. Berührte unser frühgeschichtlicher Vorfahre mit seiner Zunge etwas Süßes, so wusste er genau: Hier gibt es kalorienreiche Nahrung. Die Sensoren für bitter am hinteren Ende der Zunge sind dagegen ein Schutzmechanismus. Bevor wir etwas giftig-bitteres hinunterschlucken, werden wir noch einmal gewarnt. Sauer zeigt unreife Früchte und Salz war schon immer für unseren Wasserhaushalt im Körper wichtig.

Diese grundlegenden Dinge für das Überleben des Menschen werden über die Zunge abgebildet - mehr nicht.

Anmerkung: Im vergangenen Jahrhundert wurde 'umami' als Geschmacksart der Zunge entdeckt. Umami steht für den Geschmack von Proteinen - sprich Fleisch. Mehr als 30 unterschiedliche Umami-Sensoren enthält unsere Zunge.

Der überwiegende Teil unserer Geschmacks-Empfindungen wird in der Nase erzeugt. Das Gehirn hat dabei eine besondere Aufgabe. Blicken wir zurück in unsere Entwicklungsgeschichte. Was verbindet uns mit dem Gestank, hoppla besser mit dem Geruch eines Löwen? Heute schweifen unsere Gedanken zum letzten Zirkus- oder Zoo-Besuch zurück. Unsere steinzeitlichen Vorfahren oder der heutige afrikanische Savannen-Bewohner verbindet mit diesen Ausdünstungen eher gefährliche Momente.

Die Bedeutung eines Geruches kommt ganz auf den Zusammenhang an, in dem wir ihn wahrnehmen. Die meisten Menschen haben zwei verschieden große Nasengänge. Im größeren bewegt sich die Luft sehr schnell. Hier werden nur schwerere Moleküle an der Nasenschleimhaut analysiert. In dem kleinen Kanal bewegt sich die Luft viel langsamer. Es können noch viel feinere Aroma-Moleküle erkannt werden. Schauen Sie sich vor dem Spiegel einmal selbst in die Nase! Nicht jedermann hat unterschiedlich große Nasenlöcher - aber viele.

Fangen wir mit unserem virtuellen Tasting an

Schenken Sie sich einen im Sherryfass gereiften Macallan 12 Jahre ein. Haben Sie ihn zufälligerweise nicht zur Hand, so tut es auch ein anderer Sherryfass-Gereifter, wie Glendronach oder Aberlour. Führen Sie das Glas an die Nase und riechen Sie vorsichtig daran. Was passiert? Die vom Whisky aufsteigenden vielfältigen Aromastoffe (=Moleküle) werden mit der Atemluft durch die Nase gesogen und passieren Millionen von Rezeptoren. An manchen bleiben sie hängen, an anderen strömen sie vorbei. Das Gehirn eines Kindes signalisiert bei den vielen Alkoholmolekülen vor allem 'scharf' und 'stechend'. Ein Erwachsener mit mehr 'Alkoholerfahrung' kann zwischen diesen Aromen noch eine ganze Menge mehr entdecken.

Fast jeder unter uns Whisky-Liebhabern wird zwei Dinge im Macallan verspüren. 'Fruchtigkeit' und 'Karamell-Süße'. Schnuppern wir stattdessen einen rauchigen Caol Ila, der in der Regel in alten Bourbonfässern reift, so finden nahezu alle von uns 'Rauch' und 'Öligkeit' in ihm.

Woher kommen die Aromen?

Hinterfragen wir diese Grundaromen nach Ihrer Herkunft, so finden wir die Haupteinflussgrößen für den Geschmack eines Single Malts. Die Fruchtigkeit stammt von den Hefen, die während der Gärung eine Vielzahl von sehr fruchtigen Estern erzeugen. Die Destillation konzentriert diese Ester. Die Karamell-Süße stammt aus dem Holz des Fasses. Die Holzzucker werden durch das Erhitzen des Fasses bei der Herstellung karamellisiert und während der langen Lagerzeit in den Whisky übertragen. Ex-Bourbonfässer geben weniger Süße ab. In ihnen lag nach dem Ausbrennen bereits für 2 bis 4 Jahre Bourbon, den wir alle als süßlich kennen.

Die Rauchigkeit wird in einen Malt während der Trocknung des Malzes gebracht. Heißer Torfrauch trocknet das feuchte Malz und die Phenole des Rauchs schlagen sich auf dem Korn nieder. Die Öligkeit mancher Malts wird während der Destillation bestimmt. Destilliert man einen Malt relativ lange, so werden nicht nur leichter Alkohol und fruchtige Ester in die Auffangbehälter gelangen. Mit zunehmender Destillationszeit und höheren Temperaturen werden auch die schwereren Öle in das Fertigprodukt gelangen. Sehr intensive Malts wie der Caol Ila haben deshalb häufig eine ölige Note.

Das Nosing Wheel als Schaubild der Geschmäcker

Nun sind diese vier grundlegenden Aroma-Richtungen nicht alles, was Menschen aus einem Malt heraus riechen können. Es gibt viel, viel mehr zu finden. Fachleute verwenden für die Beschreibung ihrer Geruchsempfindungen ein Schaubild, das so genannte 'Nosing Wheel' (=Geschmacksrad). Andere nennen es 'Spider-Diagram' (=Spinnenschaubild). Da sich Geschmack so schlecht mit Worten beschreiben lässt, trägt man viele verschiedene Aromen in einem Kreis auf und verbindet sie mit Skalen zum Mittelpunkt.

Blender (wie zum Beispiel Diageo) verwenden ein anderes Nosing Wheel mit weitaus mehr Unterteilungen. Sie müssen für die verschiedenen in ihren Blends eingesetzten Malts weitaus mehr Unterscheidungen machen.

Hinter jeder dieser 16 speziellen Hauptrichtungen finden sich wiederum 3 Untergruppen.

Bei Rauchig:

1. Freudenfeuer, Torfgeruch, Zimtstangen
2. Lapsang-Souchong, geräucherter Fisch
3. Räucherlachs, Moos, frischer Torf.

und bei Holz:

1. Angebrannter Kuchen
2. Gemahlener Kaffee, Radiergummi
3. Abgase, Ingwer, Holzsaft

Rund 100 differenzierte Gerüche von 'Antiseptischer Creme' bis 'Zellophan' beschreibt dieses volle Nosing Wheel.

Warum macht man das alles?

Warum nimmt man nicht einzelne Fässer, füllt sie ungefiltert, unverdünnt und fassrein ab und überlässt dem Konsumenten die Auswahl? Die zahlreichen unabhängigen Abfüller machen es einem doch vor. Und vor 200 Jahren war die Vorgehensweise doch auch nicht viel anders!

Der Grund liegt wie immer im Kunden begründet. Von Hardcore-Islay-Fans einmal abgesehen, sind den meisten Whisky-Genießern die stark intensiven Malts zu kräftig. Nicht umsonst haben sich über die Jahrhunderte die weicheren Blends ihren Platz erobert. Nur 5% aller verkauften schottischen Whiskyflaschen enthalten Single Malt Whisky. Doch die weichsten Fässer sind den Malt Whisky liebenden Kunden wieder zu ausdruckslos.

Warum brennt man nicht immer gleich?

Füllt man immer die gleichen Fässer aus dem selben Holz ab und lässt den Whisky in klimatisierten Lagerhäusern immer gleich reifen? Dann vermischt man immer 1.000 Fässer miteinander und fertig ist die homogene Marke. Ohne Namen nennen zu wollen - diese Vorgehensweise gibt es. Was sollte man sonst in den hunderten an Fußballfeld großen Lagerhäusern machen, die an mehreren Stellen in Schottland stehen? Doch hierbei handelt es sich vor allem um neutrale Grain Whiskys und billige Massenware der Malt Whiskys. Es sind die größten Bestandteile in Blended Whiskys. Gleichwohl, die Vorgehensweise bei No-Name-Malts ist nicht viel anders.