Habitation Saint-Etienne

Die Habitation Saint-Etienne hat in etwa 20 verschiedene Rums im Portfolio. Darunter sind ca. 4 bis 5 weiße und 4 braune Rumsorten. Den Rest bilden alte Rums (VO), wie zum Beispiel der HSE Rhum Black Sheriff, der drei bis vier Jahre in Ex-Bourbon-Fässern reift und sehr alte Rums (XO), wie der HSE Rhum Grande Reserve XO, der eine Reifezeit von mindestens sechs Jahre aufweist. Zusätzlich gibt es auch Single Cask Abfüllungen in kleinen Batches.

Die Rums der Habitation Saint-Etienne sind allesamt Rhums Agricoles, das heißt, sie werden aus frisch gepresstem Zuckerrohrsaft und nicht aus Melasse hergestellt. Zudem ist die Brennerei AOC-zertifiziert und unterliegt somit den strengen Regularien des französischen Gütesiegels.

Nach der Ernte des Zuckerrohrs finden die Produktionsschritte vom Pressen bis zur Destillation in der Schwesterbrennerei Le Simon statt, die sich in Le François befindet. Zur Lagerung wird der Rum wieder zur Habitation Saint-Etienne zurückgebracht.

Der fermentierte Zuckerrohrsaft, der ‚Vin du sucre‘, wird mit einer Temperatur von ca. 30 Grad in die oberen zwei Drittel der Destillationskolonnen eingefüllt und fließt zunächst nach unten. Der heiße Dampf von unten erwärmt die Flüssigkeit, die in der Kolonne aus rostfreiem Stahl durch die verschiedenen Böden nach oben steigt. Nach und nach beginnt sich der Alkohol komplett aus der Flüssigkeit herauszutrennen. Es gibt weder Foreshots noch Feints, wie bei der Whiskyherstellung. Am Ende entsteht ein weißer Rum mit 75 % Vol., der noch verdünnt werden muss. Der Rückstand aus der Rumdestillation, die Vinasse, kann aufbereitet, als natürlicher Dünger verwendet werden.

Die Habitation Saint-Etienne besitzt etwa 40 Hektar eigenes Zuckerrohr auf dem Gelände rund um die Brennerei. Zudem gehören auf Martinique weitere 500 Hektar zu Saint-Etienne. Etwa 30 Prozent an Zuckerrohr werden noch dazugekauft. Das Zuckerrohr wird maschinell geerntet und in kurze Stücke geschnitten. Die Ernte findet im Zeitraum von Ende Januar bis Ende Juni statt, da das Zuckerrohr zu dieser Zeit den höchsten Gehalt an Zucker aufweist. Nach der Anlieferung in der Schwesterbrennerei Le Simon muss das Zuckerrohr am gleichen Tag verarbeitet werden, um eine Vorfermentation zu verhindern.

Für die HSE-Rums verarbeitet die Brennerei Le Simon ca. 500 Tonnen Zuckerrohr pro Tag. Zunächst werden die Zuckerrohrstücke in einem Häcksler zerkleinert. Die anschließende Pressung erfolgt in einer 4-Walzen-Mühle in mehreren Schritten. Nach der ersten Pressung erhält man einen reinen Zuckerrohrsaft mit einem Zuckergehalt von ca. 14%. Die trockenen Fasern werden aufgelockert, mit Wasser angereichert und erneut gepresst. Der Zuckerrohrsaft, der nach diesem zweiten Schritt übrigbleibt, hat einen Zuckergehalt von ca. 7%. Nach der dritten Pressung sind es nur noch etwa 1,5%. Die faserigen Rückstände des Zuckerrohrs, Bagasse genannt, werden nochmals zerkleinert und dann als Heizmaterial zur Dampferzeugung für die Destillation verwendet.

Bis 2009 wurde die Walzen-Mühle noch mit einer Dampfmaschine betrieben. Heutzutage ist alles elektrisch und hydraulisch, der Anpressdruck der Rollen beträgt 300 Tonnen pro Hydraulikzylinder (600 Tonnen Druck pro Walze).

Der frische Zuckerrohrsaft wird zunächst in fünf Vorfermentationstanks aus Stahl mit je 14.000 bis 17.000 Litern Volumen gefüllt. Diese dienen der Hefevermehrung. Nach ca. fünf Stunden kommt der vorfermentierte Zuckerrohrsaft in 26 größere Stahltanks mit einem Fassungsvermögen von jeweils ca. 44.000 Litern, in denen die eigentliche Fermentation stattfindet. Am Ende der 24-stündigen Fermentationszeit erhält man einen Alkohol mit ca. 4% Vol., der weiter zur Destillation geht.

Die Habitation Saint-Etienne verfügt über insgesamt neun Lagerhäuser. Im historischen Lagerhaus Nummer 7, das auch besichtigt werden kann, werden die Fässer aufrecht gelagert. Für die HSE-Rums verwendet der Kellermeister (Maître de chai) fast ausschließlich frische Fässer aus amerikanischer und französischer Eiche. Gebrauchte Fässer werden daher in der Regel verkauft. Die Rumbrennerei hat hierfür unter anderem eine Partnerschaft mit einem Whiskyhersteller.

Die weißen Rums werden nicht in Fässern gelagert, sondern vor der Flaschenabfüllung in Stahltanks gefüllt und mit Wasser versetzt, um den Alkoholgehalt zu minimieren. Dabei spielt die Zeit der sogenannten Reduktion eine Rolle. Klassische weiße Rums werden für etwa 6 Monate reduziert, die älteren für mehr als drei Jahre, was die Komplexität erhöht. Der braune Standard Rum lagert für mindestens drei Jahre in Holzfässern. Durch die tropische Lagerung auf Martinique, die eine schnelle additive Reifung bewirkt, ist dieser Rum vergleichbar mit einem sechs bis achtjährigen Scotch Whisky.

Mit auf dem Gelände der Habitation Saint-Etienne befindet sich eine eigene Abfüllanlage, in der ca. 1,5 Mio. Liter Rum pro Jahr produziert werden.

Die Rum-Brennerei Habitation Saint-Etienne wurde auf den Mauern der Zuckerfabrik „La Maugée“ aus dem frühen 19. Jahrhundert erbaut. Der junge Industrielle Amédée Aubéry erwarb das Anwesen Saint-Etienne im Jahr 1882 und ließ die Zuckerfabrik in eine Brennerei für Rhum Agricole umbauen. Er sorgte auch für die Modernisierung der Infrastruktur und ließ die Fabrik vergrößern. Zudem verlegte man Eisenbahnschienen auf dem Gelände, auf denen das Zuckerrohr zur Brennerei transportiert werden konnte.

1909 erwarb die Familie Simonnet Saint-Etienne, die die Brennerei erweiterte und eine größere Column Still einbaute. Ende der 1980er Jahre kam es zu einem Niedergang der Brennerei, die daraufhin einige Jahre stillstand. Erst 1994, mit der Übernahme von Saint-Etienne durch Yves und José Hayot, wurde die Rummarke wieder belebt. Die Hayots sind auch Eigentümer der Destillerie Le Simon und nutzen die Schwesterbrennerei für die Produktion des Rohbrands für die Marke HSE.

Die Habitation Saint-Etienne ist öffentlich zugänglich und bietet Touren mit Verkostung an. Die Architektur des Anwesens, mit Herrenhaus, das die Brennerei überragt, sowie den ehemaligen Hütten der Arbeiter, ist ein gutes Zeugnis für die Industriearchitektur des späten 19. Jahrhunderts auf Martinique. Im HSE Foudres, der im Jahr 2010 vom auf Martinique geborenen Schriftsteller Edouard Glissant eingeweiht wurde, finden wechselnde Ausstellungen statt.