Reisebericht: Bodegas Gutiérrez Colosía

kdurro

Der Sherry-Whisky ist der Star unter den Whiskys. Aber kann man ihn überhaupt verstehen, ohne sich zumindest in Grundsätzen mal mit Sherry beschäftigt zu haben? Als klar war, dass es in diesem Frühling ins westliche Andalusien ging, musste daher unbedingt eine Bodega-Führung und Sherry-Verkostung auf den Terminplan. Auf einen der großen Betriebe wie Byass, Osborne oder Sandeman hatten wir aber keine Lust.

Was die Schwierigkeit ergab: Viele kleinere Bodegas bieten gar keine Führung nach Vorbild schottischer Brennereien an, allenfalls gibt es einen Fabrikverkauf, oft mit etwas Gastronomie. Deren Anspruch kann von Truckerkneipe bis gehobene Systemgastronomie reichen. Im Netz fanden wir eine online buchbare Führung durch die Bodegas der Familie Gutiérrez in Puerto de Santa Maria, an der Bucht von Cadiz, von wo aus Christoph Kolumbus aufbrach, Indien ... andere Geschichte.

Ganze Bodega-Stadtteile

In vielen Städten des "Sherry-Dreiecks", wie die Anbauregion des Getränks genannt wird, finden sich ganze Stadtteile, die nur aus der typischen Bodega-Architektur bestehen: weißgewaschene Lagerhallen, ca. 2 Stockwerke hoch. Die meisten Bodegas befinden sich in der Stadt in Flussnähe, nicht in der Nähe von Weingütern. Da der Wein hier nur reift, war in früheren Zeiten die Verlademöglichkeit entscheidend für die Standortwahl. Viele der Hallen sind nicht mehr in Betrieb, sondern beherbergen Discos, Möbelhäuser, Autowerkstätten oder nichts. Erst sackte die Sherry-Nachfrage ab, dann kam die Wirtschaftskrise ... der Brexit führt momentan zu einer weiteren Nachfragedelle, denn die Briten trinken nach wie vor den meisten Sherry und haben ihn im Grunde ja auch erfunden.

Herzstück jeder traditionell produzierenden Bodega sind die kathedralenhaften Lagerhallen, in denen die Solera-Fässer etliche Gänge bilden. Es soll allerdings, sagte uns zumindest der Führer, auch Produzenten geben, die inzwischen ihren Sherry im Stahltank reifen lassen und die dreigeschossigen Eichenfass-Reihen nur noch als Dekoration verwenden. 70-80 Prozent der Sherryproduktion entfallen auf trockene Weine, vom hellen Fino bis zum kastanienfarbenen Oloroso. Der Rest auf Süßweine wie Moscatel und PX. Cream wird meist aus Oloroso und PX gemischt. Die Sorten unterscheiden sich nach Rebsorte, oxidativer und/oder biologischer Reifung sowie Reifedauer.

Solera

Im Detail kann ich die Sherryproduktion hier nicht wiedergeben, aber grob. Der Wein wird angeliefert, zur Haltbarmachung aufgesprittet (je nach Sorte auf 15-18%) und zunächst in Stahltanks gelagert. Dann wird er nach und nach in die dreistufige Solera gefüllt. Deren Fässer bestehen aus amerikanischer Weißeiche, das war in allen Betrieben so, die wir gesehen haben.

Ist ein Wein reif genug für die nächste Stufe, wird ein Drittel des Fasses entnommen und zum nächstreiferen Wein gemischt. Auch aus der letzten Stufe wird maximal ein Drittel entnommen und abgefüllt. Jahrgänge sind damit auf Solera-Weine grundsätzlich nicht anwendbar, auch Altersangaben sollte man als Mindestschätzung verstehen. Was das System sicherstellt, ist konstante Qualität. Es gibt keine Batches und keine Jahrgänge.

Die Hersteller haben sich, sagte der Führer, zwar auf Sprachregelungen geeinigt, welches Alter sie angeben. Aber die Solera funktioniert eben nicht wie ein Einzelfass. Wenn da etwas von 7 Jahren steht (wie bei vielen Oloroso), können Bestandteile des Weins dennoch Jahrzehnte gereift sein. Einzelne Fässer (bzw. ihr Inhalt) werden jedoch aus der Solera herausgezogen, wenn sie besonders gelungen sind, und reifen einzeln weiter. Das sind dann "extra rare" Abfüllungen, die schnell zehnmal so teuer werden wie Standardabfüllungen.

Interessant: Aus der Solera entfernt werden Fässer in dieser Bodega erst, wenn sie zu kaputt sind, um mit vertretbarem Aufwand repariert zu werden. Einige Fässer sind daher mehr als 100 Jahre alt. Wie wir wissen, zahlen die Schotten selbst für schrottreife Fässer gutes Geld - bekommen aber seit jeher im Grunde nur Fässer, die nie Bestandteil einer Solera waren. Seine guten Solera-Fässer wird normalerweise kaum ein Sherryproduzent verscherbeln, sie sind schließlich das Herzstück seiner Produktion. Unterm Strich verstehen die Schotten und die Spanier einfach etwas unterschiedliches unter einem Sherryfass. Wird eine Solera aufgelöst, werden die Fässer natürlich verkauft. Aber inzwischen dürfte die Branche ihren Schrumpfungsprozess hinter sich haben, so dass das nicht mehr allzu häufig passiert.

Brandy

Gutiérrez produziert auch Brandy, also Weinbrand. Selbst günstigere Flaschen, die nach dem Solera-Verfahren reifen, können Bestandteile enthalten, die so alt sind, dass man vergleichbaren Whisky für den x-fachen Preis verkaufen würde ... wie beim Sherry gilt auch beim Brandy, dass er gegenwärtig unhip ist, und die Preise daher anders als beim Whisky im Keller sind. Die Brandy-Solera von Gutiérrez, die wir gesehen haben, passt fast in mein Wohnzimmer, und das ist nicht groß. Da kommen keine großen Mengen heraus: 1500 Flaschen im Jahr.

Die Standardabfüllung bekommt man für rund 20 Euro, ein lächerlicher Preis gemessen daran, was alte Cognacs oder Whiskys kosten. Die Premium-Linie liegt bei 70-80 Euro, für einen 40 Jahre oder länger gereiften Schnaps auch nicht superteuer. Am Flughafen habe ich für 50 Euro eine Flasche Cardenal Mendoza Carta Real gekauft, der wird mit "im Schnitt mindestens 25 Jahre" angegeben ...und so weiter.

Verkostung

Probiert haben wir einen Fino, Amontillado, Oloroso, Cream, Moscatel und Pedro Ximénez sowie den einfacheren Brandy. Ganz interessant, auch wenn man keinen Sherry mag - vor allem für Whiskytrinker. Zu sehen, welche Aromenbestandteile welches Weins man im Whisky wiederfinden kann. So bringt der Oloroso kaum Süße mit, der PX dagegen ist pappsüß und fast schwarz. Ein Amontillado- oder Manzanillafass dürfte wenig färben, könnte aber einen Oloroso-ähnlichen Charakter produzieren usw. Ich fand es spannend, den Ursprung einiger typischer Whisky-Aromen kennenzulernen und kann das absolut empfehlen. Muss ja nicht gleich das ganze Sortiment sein ...

dectel

Vielen Dank @kdurro für den schönen Einblick in die Sherry-Welt!  

maltaholic

@kdurro Herrlich. Danke

DerDennis

@kdurro Toller Bericht, vielen Dank dafür!

yggr

Sehr lässig... vielen Dank.

Stef_D

Toller Bericht. Danke dir.

Sehr interessant finde ich das die Bodegas selbst (wie du sagst) fast nur Fässer aus Amerikanischer Weißeiche nutzen. Da würde mich mal interessieren warum?

Trico

Schöner Bericht - Danke.

Marko_I

Stef_D schrieb:

Toller Bericht. Danke dir.

Sehr interessant finde ich das die Bodegas selbst (wie du sagst) fast nur Fässer aus Amerikanischer Weißeiche nutzen. Da würde mich mal interessieren warum?

Kurzfassung: Amerika - riesige Eichenwälder, Europa - vor ein paar hundert Jahren das meiste für Armadas abgeholzt, amerikanische wächst schneller, ist damit  deutlich verfügbarer und billiger, europäische ist schwerer zu verarbeiten und gibt zudem mehr "Holzaroma" ab, was man gerade beim Sherry nicht will.

Stef_D

Marko_I schrieb:

Stef_D schrieb:

Toller Bericht. Danke dir.

Sehr interessant finde ich das die Bodegas selbst (wie du sagst) fast nur Fässer aus Amerikanischer Weißeiche nutzen. Da würde mich mal interessieren warum?

Kurzfassung: Amerika - riesige Eichenwälder, Europa - vor ein paar hundert Jahren das meiste für Armadas abgeholzt, amerikanische wächst schneller, ist damit  deutlich verfügbarer und billiger, europäische ist schwerer zu verarbeiten und gibt zudem mehr "Holzaroma" ab, was man gerade beim Sherry nicht will.

Danke dir. Ersteres war klar aber das mit den unerwünschten Bitterstoffen aus der Europäischen Eiche wollte mir nicht einleuchten.

domani

@kdurro Toller Bericht. Danke für die Einblicke!

craide

@kdurro 

danke für diesen Einblick und deinen Bericht. 

Ab jetzt wird sherry gekauft....  

gruss mc