Whisky aus dem Rotweinglas -- und andere Experimente ...

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    Dabei seit: 05.02.2017Beiträge: 0Flaschensammlung:StyrianSpirits SammlungBewertungen: 89
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    Drei junge Wilde in der großen Freiheit ...


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    Den Beginn macht diesmal der Glen Garioch 12y 48%, der im bauchigen Bordeaux-Glas (Bildmitte) viel Zeit und Sauerstoff zur Entfaltung bekommt.

    Die Nase dieses Zwölfjährigen überrascht mit vornehmer Zurückhaltung -- in Anbetracht der Stärke von 48 Volumenprozent Alkohol und des Auftritts im Whiskynosingglas hatte ich da einen schärferen Wind erwartet. Der kommt dann beim zweiten Nachschmecken. Allerdings ist auch hier die Nase ganz offen: für die herrlich reife Orange, die reife Birne mit ein bissl Zimt und einem Hauch von Kräutern. Das Volumen des bauchigen Rotweinglases zahlt sich aus und hätte ich nicht noch ein bissl was vor am heutigen Abend, könnte ich wieder viele Minuten lang nur riechen ...

    Der Geschmack hält, was die Nase verspricht: Zu den Saftorangen gesellt sich einerseits die Kräuternote und natürlich auch die Eiche -- heute eher changierend hin zum leichten Espresso. Der Abgang ist lang und hält den Glen-Garioch-Charakter mit reif-fruchtiger Ausprägung im Gedächtnis. Der Wunsch nach einem Teelöffel Wasser taucht heute nicht auf. Dieser Malt profitiert vom Rotweinglas; macht starke 89.5 Genusspunkte.

    Der Bunnhabhain 12y 46,3%  aus dem schrägen Rotweinglas.

    Bingo! Sage ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Welch verführerischer Wahnsinnsgeruch. Ich bin heute eh schon in sehr guter Stimmung, der erste Whisky war super, und nun das. Ich rieche dunkle reife Trauben, Waldboden nach einem Sommerregen, trockenen Sherry am Kamin. Nach einer (zugegeben, etwas längeren) Weile tauchen leicht würzige Kräuter auf, die man als verstärkenden Kontrast über Apfelcrumble streuen könnte. Irgendwann muss aber Schluss sein mit dem Riechen ...

    Meine Güte, der kommt fruchtig und fein in den Mund und auf den Gaumen. Ist das wirklich der 12er Bunna? Das ist ja unglaublich -- Schwarzbeeren, reife Pflaumen, dunkler trockener Sherry, eine Tiefe sondergleichen. Als wär's ein Macallan 12y Sherrycask (sorry for that, liebe Bunna-Fans!). Der Rauch, wo ist der Rauch? Am Gaumen habe ich wieder ganz entfernt die leichten Kräuter, die aus jeder Süßspeise auch noch den verborgensten schönen Charakterzug hervorkitzeln.

    Im Abgang bleibt die Dunkelfruchtigkeit, ausgekleidet mit einer ganz feinen Kräuternote. Ob ich diesen hervorragenden Malt jemals wieder aus einem Whiskynosingglas trinken werde? Macht jedenfalls hier und heute 92 bärenstarke Genusspunkte.

    Und hatte ich schon mal erwähnt, dass Whiskygenuss glücklich machen kann?

    So glücklich, dass ich jetzt fast ein wenig Befürchtungen habe, dass der Benromach 10y 100 Proof etwas abfallen könnte.

    Peng. Starke Nase. Aber nicht, wie befürchtet, extrem scharf oder rauchig, sondern extrem mentholfrisch. Beim Nachriechen zieht die Frische nochmal durch und nun kommt auch der Rauch mit; aber ganz elegant, das Geselchte hängt im Freien, etwas abseits eines Lagerfeuers.

    In den Mund, auf die Zunge und den Gaumen kommen zuerst ganz feine und dennoch "alte" Sherrynoten. Ich weiß auch nicht, heute sind meine Dunkelfrucht-Sherryrezeptoren offenbar in Aufnahmefähigkeits-Bestlaune. Aber dieser 100 Proof zeigt nun endlich seinen Kräutersalz- und Alkoholmuskel. Bestens ausgewogen und eingebunden. Ich denke, man käme ohne explizite Info niemals auf die Idee, es hier mit einem jugendlichen Zehnjährigen zu tun zu haben!

    Der Abgang geht dann in Richtung Räucherschinken und schöner Salzigkeit, immer grundiert von den Sherrynoten, woher immer sie auch kommen mögen. Eine klassische Szene am Meeresstrand. Der 100 Proof ist nun der erste Whisky, der einen halben Teelöffel Wasser ins Rotweinglas bekommt. Die Nase frischt dadurch nochmal auf Richtung Minzfrische, die Kräuternoten verstärken sich. Am Gaumen ist er milder und die dunklen Früchte samt Sherry übernehmen das Kommando. Der Abgang bleibt lang und erinnerungswürdig. Auch in diesem Glas verträgt er etwas Experimentier- und Schmeichel-Wasser, am heutigen Tag hätte ich es allerdings nicht gebraucht. Schon wieder ein tolles Erlebnis, und damit sehr starke 90 Genusspunkte.

    Meine Erkenntnis: Auch (oder gerade?) die "jungen Wilden" schlagen sich ganz hervorragend im Bordeaux-Rotweinglas. Alle drei profitieren davon und sind mindestens gleichwertig im Geschmackserlebnis im Vergleich zum Whiskynosingglas. Eindeutig an der Spitze und von der Charakteränderung im positivsten Sinne am extremsten ist der Bunnahabhain 12y. Was für ein Auftritt!

    Hatte ich schon erwähnt, dass Whiskygenuss ...? Schluss, aus. Ich muss mir jetzt eindeutig noch ganz viel Zeit lassen, um die Reste dieser tollen Malts genießen zu können. Und mir einen Zwölfjährigen nachschenken. Meine und unsere heutige Whiskyreise wird in Islay vollendet ...

    >> Meine Sample-Liste mit Proben von Standard-, Premium- und Luxus-Whiskys

    Flaschenteilungen (FT): Old Pulteney 1983 [aktiv] | FT 015 | FT 014 | FT 013 | FT 012 | FT 011FT 010 | FT 009 | FT 008 | FT 007FT 006 | FT 005 | FT 004 | FT 003FT 002 | FT 001


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  • Lagavulin78 User Dabei seit: 25.01.2017Beiträge: 525Bewertungen: 0
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    @groensparv"


    Ich habe mir gestern Abend noch einmal  2 Glasaugen und Glengoyne25 gegönnt. Und zwar aus den Rotweingläsern.

    In der Nase sind alle drei - ein Gedicht - da stimme ich StyrianSpirit726 absolut zu. Sowohl 42% als auch 44,8% und Glengoyne25 sowieso. Man hat richtig Spaß die drei zu verriechen.

    Als Erster durfte 42%er meine Geschmackssinne begeistern: Ich wollte ihm eine zweite Chance geben und er hat sie wieder vergeigt. Der Übergang von der Nase in den Mund war, als ob alles Schöne in einem schwarzen Loch verschwunden wäre - es passiert einfach nichts. Von einem Abgang kann überhaupt keine Rede sein.

    Der 44,8% hat nur knapp 3% mehr, aber die machen den Unterschied. Deutlich besser als 42% ist er mir immer noch zu glatt. So wie der Glengoyne21. Trotzdem ist Glenglassaugh 30 auf keinen Fall schlecht. 77p oder 97p bei WB sind schon krass. Ich würde ihm gemittelt 87p geben. Wobei die Nase 93p bekommt.

    Dem Glasauge fehlt eindeutig an Alkohol! Nur so kann ich mir erklären, warum diese schöne Nase sich gar nicht mehr im Mund wieder findet. 47%-48% würden diesem Whisky besser stehen.

    Und so bleibt für mich als eindeutiger Sieger: Glengoyne25. Mit 250€ pro Flasche ist er sogar günstiger.


    "Geschmäcker sind nunmal verschieden"- und das ist gut so! Das war eben Meiner.




  • groensparv User groensparv Dabei seit: 07.02.2017Beiträge: 1,073Bewertungen: 0
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    @StyrianSpirit726 @Lagavulin78

    Danke euch beiden mal wieder für die schönes Notes zu jungen Wilden und alten Einäugigen - hat wie immer Spaß gemacht zu lesen.

    ... und macht Appetit auf ein feines Tröpfchen!


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  • Lagavulin78 User Dabei seit: 25.01.2017Beiträge: 525Bewertungen: 0
    , letzte Änderung 24. Mai 2017 um 01:39
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    @StyrianSpirit726


    Deine Vergleiche sind richtig spannend - Weiter so! :alcohol: Jetzt habe ich Interesse am Bunna12. Gleich mal ein Sample raussuchen und bestellen.



    Vom Caol Ila 25 habe ich auch mehr erwartet - zu brav. Aber hier stimmt zumindest noch der Preis. Schon der 30y-er kostet bereits über 500€. Dafür mit ordentlicher Trinkstärke. Aber 5mal teurer für 5 Jahre?

    Übrigens: Gerade läuft eine FT von dem 30y-er Caol Ila. 


    Für mich ist ein Lagavulin DE je ein Klassiker! Besonders der 18y-er! Wenn es mir zu viel vom Experimentieren wird - Lagavulin DE!


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    Dabei seit: 05.02.2017Beiträge: 0Flaschensammlung:StyrianSpirits SammlungBewertungen: 89
    , letzte Änderung 25. Mai 2017 um 21:39
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    Ein braver und ein böser Bub im großen Garten

    Der schottische Clan der Single Malts zählt viele Familien mit vielen interessanten Kindern. Diesmal sind zwei ganz besondere Buben unterwegs in einem für sie ungewohnt schönen und sehr großen Garten: Der junge zehnjährige Springbank und der nur zwei Jahre ältere Macallan. Zwei beliebte junge Herren, der eine von der eher dreckig-wilden Islay-Partie, der andere aus vornehmerem Speyside-Hause. Beide haben ihre Fangang, werden bewundert und gehasst, je nach Standpunkt.

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    Heute also in einem für die beiden Buben ungewohnten Terrain: Der Springbank 10y 46% sowie der Macallan 12y Sherry Cask 40% müssen ihre Qualitäten im großen schrägen Bordeaux-Glas beweisen.

    Geruch: Ach, der junge Herr Macallan kommt sehr elegant den Gartenweg entlang geschlendert. Allerdings riecht er heute ganz stark und frisch, als hätte er das 46%-Menthol-Deo aufgelegt und nicht der junge Springbank. Dunkle Früchte duften aus dem Jutesack: Trauben, Zwetschken, Schwarzbeeren. Und Brioche-Gebäck ist ebenfalls dabei, ergänzt um süße Tiroler Bergbauernbutter auf warmem Kipferl. Eine mehr als verführerische Mischung weht in die Nase.

    Der junge Springbank hingegen hat sich schon wieder schmutzig gemacht mit dem Laub und der schwefeligen Erde, die unter dem wunderschönen Kastanienbaum im großen Garten zu finden war; und mir kommt vor, der Junge ist gestern in Hühnerdreck gestiegen und hat nicht alle Reste von seinem linken Schuh entfernen können. Ein paar Wiesenkräuter hat der Springbank einfach zu den Wiesenchampignons und Waldbeeren gepackt -- auch er mit Jutesack, in dem er davor allerdings leicht ölige Ersatzteile für sein Bike und das seines großen Bruders (der ist schon 12 und fassstark) transportiert hatte.

    Geschmack: Der Macallan vermittelt heute wieder ein tiefes Obstkorbaroma. Neben dem Sherry sind vor allem Zwetschken und Honig zu spüren; das Gebäck tritt in den Hintergrund, dafür kommen nun zarte Eichennoten ins Spiel. Vom ersten Sturm & Drang der Nase ist am Gaumen nichts mehr zu spüren, alles ist in der genau richtigen Weise passend intensiv.

    Der Springbank ist da wilder: Salzig, bitter, scharf. Gerade, dass er einem nicht die ölige Fahrradkette seines älteren Bruders über den Gaumen zieht. Sowas würde er aber doch nicht machen, denn er hat beste Anlagen. Sie sind halt nur nicht so elegant, sondern buchstäblich bodenständig. Beim zweiten Gaumenkitzel merkt man, dass sich zu den Wiesenchampignons doch noch ein paar Schwarzbeeren dazugeschummelt haben.

    Abgang: Der Ausklang des Zwölfjährigen gestaltet sich mittellang. Hier bleiben zuerst die dunklen Früchte, dann die leichte Eiche und schlussendlich wieder die Noten warmen Gebäcks in Erinnerung. Schon ein sehr ausgereifter, eleganter Herr, dieser zwölfjährige Macallan.

    Der Abgang des Springbank bleibt ebenfalls in Erinnerung. Und zwar so, wie er in den Mund kommt: Salzig, bitter, eindeutig. Manche wollen eben nicht unerkannt durchs Leben gehen.

    Erkenntnis: Der Macallan ist im großen Garten gleich gut oder leicht besser als im kleineren Whiskynosingglas. Macht 90 Genusspunkte nicht nur für alle, die "die Klassiker" lieben.

    Der zehnjährige Springbank ist im großen Garten eindeutig besser aufgehoben als im kleinen: Mehr Raum verschafft mehr Möglichkeiten, die guten Anlagen auch wirklich zu zeigen. Und so mancher Dreckrest fällt gar nicht mehr so wirklich auf. Macht starke 88 Genusspunkte.

    Der Springbank ist zweifellos der ungehobeltere, wildere Geselle, überzeugt aber mit seiner bodenständigen Ehrlichkeit. Und mit Substanz. Im späteren Leben wird der junge Mann vielleicht einmal Chirurg, Sportler, Künstler oder Unternehmer. Die aus dem Hause Macallan sind natürlich mit besseren Manieren unterwegs und zeigen sich mit feinerem Styling. Auch wird Wert auf Werte und Substanz gelegt; diesmal von der ruhig-eleganten Sorte. Der junge Macallan wird später vielleicht Jura, BWL oder Psychologie studieren. Geht alles gut, könnten wir ihn aber auch als Internisten, Künstler oder Unternehmer wiedersehen.

    Wie sähe die Welt aus, gäbe es nur die eine Sorte? Sind wir froh, dass wir beide Sorten haben -- die Wilden wie die Ruhigen, die Stürmischen wie die Nachdenklichen, die Kantigen wie die Runden. Das war's für dieses Mal mit den Bubengeschichten.

    >> Meine Sample-Liste mit Proben von Standard-, Premium- und Luxus-Whiskys

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    Vorgezogene Nachspeise: eine helle und eine dunkle Früchteschale

    Bevor die Hitze heute die 29 Grad erreicht und wir uns unter den Schatten dreier alter Bäume in einem herrlichen Gastgarten bei Steak und Bier verziehen, soll noch ein BLT (Before Lunch Tasting) mit vorgezogener Früchteschale die Sinne erfreuen ...


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    Die detaillierten Notes sind >> hier, unter "Now Drinking 2017", zu finden.


    Fazit: Beide Whiskys sind von der Alkoholstärke mit 43% sehr dezent gehalten. Im großen Rotweinglas ist das aber kein Nachteil, besonders der Ex-Bourbonfass-Whisky profitiert dadurch von einer sich sehr fein entwickelnden Minzfrische. Die Nase des Glen Grant ist wirklich betörend und noch beeindruckender als jene des gesetzt-ruhigeren 25jährigen Tullibardine.

    Der Glen Grant profitiert eindeutig vom größeren Entwicklungsraum im schrägen Bordeaux-Rotweinglas; macht 90.5 Genusspunkte. Der Tullibardine ist in der Nase vielleicht ein wenig facettenreicher, ansonsten aber ist er aus dem Rotweinglas ähnlich gut wie aus dem Whiskynosingglas; ergibt ebenfalls starke 90 Punkte. Beide sind beeindruckend schöne Single-Malt-Fruchtigkeits-Varianten.

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    MonteGehro gefällt das
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    Ein Dreier mit Ferkel

    Der vorläufig letzte direkte Vergleich mit Whiskys aus dem Rotweinglas lässt den Glenfarclas 25y 43% (Bildmitte) gegen den Highland Park 12y 40% und den Auchentoshan 12y 40% antreten, also einen "alten Sherry-Whisky" gegen einen "zarten Insel-Raucher" und einen "milden Lowländer".

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    Es geht auch darum, zwei "klassische Einsteigerwhiskys" und den "klassischen ersten Fünfundzwanzigjährigen" für so viele, die den Einstieg in die Whiskywelt mit Begeisterung hinter sich gebracht haben, zu vergleichen. Soweit die Klischees und allgemeinen Zuschreibungen.

    Ich freue mich auch deshalb auf diesen Vergleich, weil es bei mir nicht anders war: Zu Beginn den Auchentoshan und den Highland Park öfter mal getrunken, waren diese beiden nun schon lange nicht mehr im Glas. Den Glenfarclas wiederum trinke ich immer wieder -- der ist sozusagen ein Eichwhisky von herrlich leichter Überdurchschnittlichkeit --, allerdings noch nie aus dem Rotweinglas.

    Geruch: Aus dem großen Rotweinglas wirkt der Auchentoshan trotz seiner dreifach destillierten 40% minzfrisch und wie gewohnt blumig. // Der Highland Park ist im Geruch fast noch zurückhaltender als der Auchentoshan. Erst wenn man lange riecht, entfalten sich langsam die grasig-kräuterigen Noten. Im Rotweinglas wird das ganze vortrefflich durch eine Gebäck- und Bratapfelnote ergänzt, die ich für den Insel-Whisky nicht im Gedächtnis hatte.

    Geschmack: Auf den Gaumen kommt der Lowländer wirklich mild. Aber sehr angenehm -- es hat immer noch knapp 30 Grad -- und schon biegt das nächste Klischee um die Ecke: Sommerwhisky. Dabei ist das blumig-helle Traubenbukett zu jeder Jahreszeit besonders angenehm, auch auf dem Gaumen. Mit dem Verweilen im Mund wird der Auchentoshan immer fruchtiger. // Der Inselwhisky kommt ebenfalls sehr sanft und mild auf den Gaumen, von Beginn an allerdings mit einer meersalzigen Note (was für viele wohl "maritim" bedeutet).

    Abgang: Der Abgang des Auchentoshan ist natürlich eine eher kürzere Geschichte. Aber auch hier: Sehr angenehm und ich vernehme sogar zarte Holznoten. Diese Mischung aus Oloroso- und Bourbonfass ist einfach gut gemacht. // Im Abgang verändert sich beim Highland Park die Würzigkeit hin zu einer leichten Eichennote und vielleicht auch zu etwas Espresso.

    Fazit: Den Highland Park umgibt nach einer dreißigminütigen Ruhezeit im Rotweinglas eine ungemein feine Kräutersalz-Note. Hier und heute vermag ich den Rauch (wie auch beim ersten Tasting aus dem Whiskynosingglas) nicht zu finden. Der Highland Park 12y ist einer jener Whiskys, die aus dem Rotweinglas den Charakter sehr stark ändern: Er ist "offener", "feiner". Was nun besser ist, ist zweifellos Geschmacks- und Stimmungssache. Für mich gewinnt er, und zwar nicht wie die meisten Whiskys an Substanz, sondern an Leichtigkeit aus dem Rotweinglas. Macht starke 87 Genusspunkte.

    Der Auchentoshan wiederum ist ebenfalls von sehr fein aufgefächerter Eleganz aus dem Bordeaux-Rotweinglas. Allerdings vermag der große Entfaltungsraum keine wesentliche Änderung (weder eine Vertiefung noch größere Leichtigkeit) im Auftritt zu entfachen. Der Lowländer bleibt sich auch im Rotweinglas treu. Macht ebenfalls starke 85 Genusspunkte.

    Nun aber zum Glenfarclas 25y

    In diesem Trio ist der Speysider, man glaubt es kaum, mit 43% der Alkoholmuskelkönig.

    Die Nase ist dann der volle Brotkorb mit Bratapfel. Genau so liebe ich diesen 25jährigen. Aus dem bauchigen Bordeaux-Glas ergänzt wieder eine ganz leichte Minzfrische die dunklen Trauben- und Sherryaromen, die beim zweiten Verriechen zutage treten.

    Am Gaumen ist der Glenfarclas fast schon rebellisch, grundiert aber mit den fülligen Gebäck- und Bratapfelnoten, zu denen sich nun auch wieder die Eiche gesellt.

    Im Abgang wirkt der Speysider wirklich alt mit deutlich vernehmbarer Fassnote und Aromen starken Espressos. Das ist für mich auch die signifikanteste Änderung zum Genuss aus dem Whiskynosingglas.

    Fazit: Der 25jährige Glenfarclas ist aus dem bauchigen Bordeaux-Glas ähnlich gut wie aus dem Whiskynosingglas. Insofern bleibt die Überraschung diesmal aus, was aber immer noch starke 89 Genusspunkte ergibt.

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  • groensparv User groensparv Dabei seit: 07.02.2017Beiträge: 1,073Bewertungen: 0
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    Wie immer interessant zu lesen. Ich hatte den HP12 ja gestern auch (endlich) mal wieder im Glas, allerdings im Glencairn. Auch da gab es im Abgang eine Espressonote, an die ich mich nicht mehr erinnert hatte. Ob das wohl auch an der Umgebungs-Wärme liegen könnte, die mehr Aromen öffnet?
    ...Bratapfel allerdings hatte ich definitiv nicht (ich Kleinglastrinker, ich :mrgreen: ).


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    Die Umgebunsgtemperatur könnte tatsächlich die Aromen ändern. Auch bei Kleinglastrinkern (schönes Wort, gefällt mir!). Und ich werde die nächsten Tage ganz sicher wieder aus dem "normalen Glas" trinken. Allerdings nicht, bevor ich mir noch einen 12er-Bunna ins Rotweinglas gegossen habe ... :mrgreen:

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    Resümee zum Whiskytrinken aus dem Rotweinglas


    Begonnen hat alles mit der Empfehlung eines alten Whiskykenners: "Schenken Sie doch einen guten alten Whisky in ein großes Rotweinglas und lassen Sie ihm eine halbe Stunde Zeit zum Atmen. Dann genießen Sie. Sie werden begeistert sein."


    Das hab' ich nun mit insgesamt 20 Whiskys getestet. Meine Erkenntnis: Ein gutes Bordeaux-Rotweinglas kann völlig neue Charakterzüge eines Whiskys offenlegen und den Genuss vertiefen. Allerdings gilt das nicht für alle Whiskys. 


    Hier nun das Ranking der Whiskys aus dem Rotweinglas nach


    A) Genusspunkten absolut:


    Whiskyhimmel ...

    01. Glenglassaugh 30y, 44,8% : 94,5 Punkte

    01. Glendronach Grandeur 25y, 50,3% : 94,5 Punkte
    03. Glengoyne 25y, 48% : 94 Punkte

    04. Glengoyne 25y, 46% : 93,5 Punkte
    04. Glenglassaugh 30y, 42% : 93,5 Punkte


    Außergewöhnlich ...
    06. Lagavulin DE 16y, 43% : 93 Punkte

    07. Bunnhabhain 12y, 46,3% : 92 Punkte

    08. Glen Grant Rare Edition 18y, 43% : 90,5 Punkte
    08. Caol Ila 25y, 43% : 90,5 Punkte


    Erstklassig ...

    10. Glen Garioch Renaissance 2nd Chapter 16y, 51,4% : 90 Punkte

    10. Benromach 10y 100 Proof, 57% : 90 Punkte

    10. Tullibardine 25y, 43% : 90 Punkte
    10. Macallan 12y Sherry Cask, 40% : 90 Punkte


    Gut bis sehr gut ...

    14. Glen Garioch 12y, 48% : 89.5 Punkte

    15. Glendronach Parliament 21y, 48% : 89 Punkte

    16. Glenfarclas 25y, 43% : 89 Punkte

    16. Benrinnes 19y, Potstill Edition, 57,8% : 89 Punkte

    18. Springbank 10y, 46% : 88 Punkte 

    19. Highland Park 12y, 40% : 87 Punkte

    20. Auchentoshan 12y, 40% : 85 Punkte


    ------------------------------------------------------


    Ebenso interessant ist die Reihung danach, welche Whiskys vom Rotweinglas am meisten profitieren, sich also in meiner ganz persönlichen und subjektiven Wertung von den Punkten her am meisten verbessert haben.


    B) Reihung nach der stärksten positiven Veränderung im Bordeaux-Rotweinglas:


    Probierpflicht ...

    01. Bunnhabhain 12y: + 5,0 Punkte (von 87 auf 92 Punkte)

    02. Lagavulin DE 16y: + 4,0 Punkte (von 89 auf 93 Punkte)

    03. Glen Garioch 12y: + 3,5 Punkte (von 86 auf 89.5 Punkte)

    04. Springbank 10y: + 3,0 Punkte (von 85 auf 88 Punkte) 


    Dringende Vergleichsempfehlung ...

    05. Glen Grant Rare Edition 18y: + 2,5 Punkte (von 88 auf 90,5 Punkte)
    05. Caol Ila 25y: + 2,5 Punkte (von 88 auf 90,5 Punkte)

    07. Benromach 10y 100 Proof: + 2,0 Punkte (von 88 auf 90 Punkte)

    07. Highland Park 12y: + 2,0 Punkte (von 85 auf 87 Punkte) 


    Für alle, die den Whisky schon aus dem Nosingglas toll finden ...

    09. Glengoyne 25y, 48%: + 1,0 Punkte (von 93 auf 94 Punkte) 

    09. Glen Garioch Renaissance 2nd Chapter: + 1,0 Punkte (von 89 auf 90 Punkte)

    09. Macallan 12y Sherry Cask: + 1,0 Punkte (von 89 auf 90 Punkte)

    09. Auchentoshan 12y: + 1,0 Punkte (von 84 auf 85 Punkte)

    13. Glenglassaugh 30y, 44,8%: + 0,5 Punkte (von 94 auf 94,5 Punkte) 

    13. Glendronach Grandeur 25y: + 0,5 Punkte (von 94 auf 94,5 Punkte)

    13. Glengoyne 25y, 46%: + 0,5 Punkte (von 93 auf 93,5 Punkte)


    Keine signifikante Änderung ...

    16. Tullibardine 25y: + 0,0 Punkte (von 90 auf 90 Punkte)

    16. Glenfarclas 25y: + 0,0 Punkte (von 89 auf 89 Punkte)


    Etwas besser aus dem Nosingglas ...

    18. Glenglassaugh 30y, 42%: - 0,5 Punkte (von 94 auf 93,5 Punkte)

    19. Glendronach Parliament 21y: - 1,0 Punkte (von 90 auf 89 Punkte)

    20. Benrinnes 19y, Potstill Edition: - 2,0 Punkte (von 91 auf 89 Punkte)



    Meine empirisch zwar begründeten, dennoch aber absolut subjektiven Thesen lauten:


    1. Jene Whiskys, die mir aus dem Nosingglas am besten geschmeckt haben, sind auch aus dem Rotweinglas am besten. Das große Glas sorgt noch für den "Zusatzkick" auf höchstem Niveau.


    2. Absolut gesehen profitieren "alte Whiskys" natürlich sehr stark von der Ruhezeit und dem großen Entfaltungsvolumen. Auch hier gibt es Ausnahmen wie z.B. die 16jährige Lagavulin Distillers Edition oder den 12jährigen Bunnahabhain. Bei diesen "Jungen" gibt es naturgemäß auch das größte Steigerungspotenzial.


    3. Was zur dritten Erkenntnis führt: Auch die "Raucher" und "Jungen" (v.a. jene mit guter Substanz) profitieren vom Rotweinglas. Neben den angesprochenen Lagavulin und Bunnahabhain sind hier v.a. der 10jährige Benromach 100 Proof oder der 10jährige Springbank zu nennen.


    4. Fasstarke Bourbonfasswhiskys wie die 19jährige Benrinnes Potstill Edition mit 57,8% könnten ein Problem bekommen im Rotweinglas. Gegenbeispiel in meinem Test: Der 18jährige Glen Grant aus dem Ex-Bourbonfass, der ganz großartig schmeckt aus dem Bordeaux-Glas (was auch an den vergleichsweise bescheidenen 43 Volumenprozent Alkohol liegen könnte). Das sind wohl weitere Tests notwendig.



    Conclusio: Für mich gehört das große Rotweinglas mittlerweile zur Standardausstattung beim Whiskygenuss. Es ist nicht grundsätzlich besser als das Whiskynosingglas, sondern bringt bei vielen Whiskys unentdeckte Eigenschaften und ganz neue Charakterzüge zum Vorschein. Auch hier heißt es, einfach ausprobieren und neugierig bleiben ...


    Liebe Whiskyfreundinnen und Freunde, könnt Ihr diese Erkenntnisse nachvollziehen?

    Welche Erfahrungen habt Ihr selbst mit Whisky in anderen und speziell auch "großen Gläsern" gemacht?


    Lasst Euch nicht davon abhalten, darüber zu berichten ...


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    Flaschenteilungen (FT): Old Pulteney 1983 [aktiv] | FT 015 | FT 014 | FT 013 | FT 012 | FT 011FT 010 | FT 009 | FT 008 | FT 007FT 006 | FT 005 | FT 004 | FT 003FT 002 | FT 001


    „Sammle Erfahrungen, solange Du sie nicht nötig hast.“

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