Wie verändert sich Whisky in der geöffneten Flasche?

  • Sam_Mumm
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    User Sam_Mumm
    Dabei seit: 20.08.2017Beiträge: 5,560Bewertungen: 0

    Ich vermute mal, diese Frage war hier schon öfter Thema im Forum, und für die "alten Hasen" dürfte es schon alt und langweilig sein. Aber für mich bleibt es spannend. Darum starte ich einen Selbstversuch. 

    Ich habe von zwei frisch geöffneten Flaschen, einen Tomatin 12 und einen Glenlivet 18, jeweils eine Probe abgefüllt, verschlossen, versiegelt und im dunklen Keller deponiert. Damit will ich dann die jeweils letzten Dram aus den Flaschen gegenverkosten. 

    Die größte Herausforderung ist jetzt, die Lebensdauer der beiden Flaschen so lange zu ziehen, dass sie überhaupt auch Zeit zum verändern haben. 

    Falls mir das gelingt, und falls es dann hier jemanden interessiert, dann würde ich so in frühestens einem Jahr berichten, ob ich überhaupt einen Unterschied feststellen konnte, und wie ich diesen Unterschied wahrgenommen habe. 

    "Am Rausch ist nicht der Whisky schuld, sondern der Trinker" (schottisches Sprichwort)

  • DocF User, Moderator DocF Dabei seit: 31.07.2016Beiträge: 3,339Bewertungen: 2
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    @Sam_Mumm Hier gab es schonmal ein Experiment dazu. War selber zu Beginn nicht angemeldet, habe aber anschließend nachgelesen. Eine Kontrolluntersuchung kann auch sicher nicht schaden :wink:

    Chat-StammtischProbenliste - #Modshot2019 - Blindbattle-Stammgast - Blinde Standard-Kissenschlacht

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  • Sam_Mumm
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    User Sam_Mumm
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    Ok, hab ich übersehen. 

    Andererseits, probieren geht über studieren, oder?:question:

    "Am Rausch ist nicht der Whisky schuld, sondern der Trinker" (schottisches Sprichwort)

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  • [Gelöschter Benutzer] Dabei seit: 28.09.2016Beiträge: 0Bewertungen: 0
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    Definitiv.

    Ich würde aber fairer Weise nicht den letzten Dram zum Vergleich nehmen.

    Bei dem wird es unter Umständen tatsächlich "dramatisch".

    Vielleicht besser den viert- oder drittletzten Dram, außer deine Drams entsprechen dem doppelten WSD.

    MISS YOU! 

    image

  • maltaholic User maltaholic Dabei seit: 29.07.2014Beiträge: 36,762Flaschensammlung:maltaholics KellergeisterBewertungen: 1051
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    Unterschiedlich.

    Da gibt es Flaschen, die verlieren an Aroma, vor allem die Rauchigen.

    Aber es gibt auch welche, die gewinnen an Weichheit und Geschmack...

    “Whisky, like a beautiful woman, demands appreciation. First you gaze, then it's time to drink.” ― Haruki Murakami


    Meine Samples „malta‘s malts“ 

  • Sam_Mumm
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    User Sam_Mumm
    Dabei seit: 20.08.2017Beiträge: 5,560Bewertungen: 0
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    Ich muss an dieser Stelle zuerst ein kleines "Scheitern" eingestehen. 

    Eigentlich wollte ich hier ja erst nach Ablauf eines Jahres (von September 2017 gerechnet) wieder posten. Aber irgendwie hat sich der Tomatin 12 schneller geleert als gedacht. (Zu meiner Verteidigung: Meine Frau hat im Winter Orangenmarmelade gekocht, und das führte zu einem unerwarteten "Verlust" in der Flasche)

    Jedenfalls waren zuletzt nur noch geschätzte 100ml (oder so) in der Flasche, damit wäre ich beim dritt- oder viertletzten Dram angekommen, und damit hab ich mich entschlossen, den Vergleichstest eben schon nach einem dreiviertel Jahr zu machen. 


    Nochmal zur Vollständigkeit: ich hab am 17.09.2017 die Flasche geöffnet und sogleich ein Probesample mit 4cl abgefüllt, verschlossen und soweit als möglich versiegelt (in Ermangelung von Parafilm musste ein halber Meter Klebstreifen herhalten), und im Vorratskeller bei halbwegs konstant 18 Grad in der dunkelsten Ecke aufbewahrt. 

    Die Originalflasche wanderte (lichtgeschützt in der Umverpackung) in meinen Whiskyschrank im Wohnzimmer und wurde mehr oder weniger kontinuierlich geleert. 

    Am 23.06.2018 hab ich nun den Vergleichstest gemacht. Ich hab Glencairn - Gläser verwendet. Um Verwechslungen zu vermeiden kam die Vergleichsprobe aus dem Keller in mein einziges Glas mit Brennereilogo, der Dram aus der Originalflasche in eine neutrales Glas. Füllstand beider Gläser war nach Augenmaß gleich. (Und ja, ich hab die Probe aus dem Keller die letzten Stunden vorher in die Küche gestellt, damit ich annähernd gleiche Temperaturen hab.) 

    Ergebnis: 

    Nase:

    Im ersten Moment rochen beide Proben nahezu identisch. Ich fand erkennbares Malz, dezenten Torf, eine Andeutung von Rauch und eine leichte Fruchtigkeit. Aus dieser Fruchtigkeit stachen dann leichte Zitrusnoten heraus. Bei der Vergleichsprobe waren diese Zitrusnoten frisch ("Zitronenfrisch"), mit einer leichten Ingwerschärfe. Diese Schärfe fand ich bei dem Dram aus der Originalflasche weniger deutlich, und die Zitrusnoten tendierten eher in Richtung herbe Bitterorange. 

    Geschmack:

    Das gleiche Spiel wie beim Aroma. Zuerst identische Malznoten, leichter Torf, Andeutung von Rauch, Fruchtigkeit. Erst bei den Zitrusnoten stellte ich wieder eine leichte Veränderung fest. 

    Bei der Vergleichsprobe ging es wieder in Richtung kühlende Zitrusfrische mit einem Hauch an Schärfe, bei dem Dram aus der Originalflasche kippte es eher in warme Orangennoten (Bitterorange, sonnengereift, aber dennoch herb, zitruslastig, nicht süss). 

    Interessanter weise fand meine Frau die gleichen Unterschiede, aber mit umgekehrten Vorzeichen. Sie fand den Dram aus der Originalflasche eher Zitrusfrisch und Ingwerscharf, und die Vergleichsprobe mehr Orangenlastig und weniger scharf (Verwechslung der Proben wage ich auszuschließen). Spannend. 


    Fazit:


    Ich hab immer wieder einen Dram aus der Flasche genossen, und glaubte da einen kontinuierlich gleichbleibenden Geschmack zu erleben. 

    Daher war ich vor der Vergleichsprobe eher skeptisch, und entsprechend überrascht, dass ich im direkten Vergleich doch einen Unterschied, eine Veränderung der geöffneten Flasche feststellen musste / konnte. 

    Allerdings bewegten sich diese Veränderung nur in Nuancen. Ich kann nicht sagen, dass er nun besser oder schlechter wurde. 

    Das heißt nun für mich, dass ich nach meinem Geschmack problemlos einen Tomatin 12 (und vielleicht vergleichbare Tropfen) in meinem Schrank für ein halbes bis dreiviertel Jahr seiner Leerung entgegen schwinden lassen kann, ohne dass ich für mich eine Genusseinbußung hinnehmen muss. 

    Warum betone ich das "ich" "für mich" so? Weil meine Versuchsanordnung weit von klinischen Laborbedingungen entfernt ist, und ich daher keine Verallgemeinerung wagen kann / darf. 

    Und zum anderen hat mich der Vergleich mit meiner Frau mal wieder daran erinnert, dass Whisky, sein Geschmack und dessen Wahrnehmung eine sehr individuelle Angelegenheit ist. 


    In jedem Fall bin ich nun schon gespannt auf mein zweites "Versuchkaninchen", den GlenLivet 18. Die Flasche ist aktuell noch knapp halb voll, so dass ich hier guter Dinge bin, diesen Veränderungsversuch auf mindestens ein Jahr hinzukriegen. 

    Damit werde ich das Ergebnis dieses Vergleichs dann frühestens Ende September 2018 berichten - so es hier jemanden interessiert (und falls nicht, dann vermutlich trotzdem auch :lol:).

    "Am Rausch ist nicht der Whisky schuld, sondern der Trinker" (schottisches Sprichwort)

  • Sam_Mumm
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    User Sam_Mumm
    Dabei seit: 20.08.2017Beiträge: 5,560Bewertungen: 0
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    Heureka!

    Ich habe es tatsächlich geschafft, die Leerung des Glenlivet 18 auf ein Jahr hinzuziehen. So konnte ich dann heute - zur Feier der Stimmabgabe bei der bayerischen Landtagswahl - meinen zweiten Vergleichstest durchführen. 



    Nochmal zur Vollständigkeit: ich hab am 17.09.2017 die Flasche geöffnet und sogleich ein Probesample mit 4cl abgefüllt, verschlossen und soweit als möglich versiegelt (in Ermangelung von Parafilm musste ein halber Meter Klebstreifen herhalten), und im Vorratskeller bei halbwegs konstant 18 Grad in der dunkelsten Ecke aufbewahrt. (Okay, während des heißen Sommers stieg die Temperatur auch hier auf etwas knapp über zwanzig Grad.)  

    Die Originalflasche wanderte (lichtgeschützt in der Umverpackung) in meinen Whiskyschrank im Wohnzimmer und wurde mehr oder weniger kontinuierlich geleert. die heiße Phase Juli / August hat sie im halbvollen Zustand überdauert, ab September dann hab ich mir wieder gelegentlich ein kleines Dram daraus gegönnt, bis sie nun, mit einem Füllstand von geschätzt noch knapp 100 ml "probereif" war. 

    Heute, am 14.10.2018 hab ich nun den Vergleichstest gemacht. Ich hab Glencairn - Gläser verwendet. Um Verwechslungen zu vermeiden kam die Vergleichsprobe aus dem Keller in mein einziges Glas mit Brennereilogo, der Dram aus der Originalflasche in eine neutrales Glas. Füllstand beider Gläser war nach Augenmaß gleich. Und ja, um halbwegs gleiche Temperatur zu erzielen verbrachte die Vergleichsprobe die letzten 24 Stunden im Schrank neben der Originalflasche. 


    Nase:

    Ich finde in beiden Gläsern die gleichen Noten. dezentes Karamell, in eine gewisse Malzsüsse übergehend, dann eine erahnte Andeutung von Torf, Bitterorange und im Hintergrund eine Andeutung von trockener Eiche. 

    In der Vergleichsprobe waren die Aromen sehr schnell präsent. Im Glas aus der Originalflasche hat es vergleichsweise länger gedauert, bis ich die Aromen wahrgenommen habe. (Als würde ein Schleier darüber liegen, der erst weggezogen werden muss. 


    Geschmack:

    Das gleiche Bild. Ich finde Toffee, saftige Orange, ins Bittere abgleitend, eine angedeutete Süsse, die vom Malz stammen könnte, aber auch als Karamell deutbar wäre, und im Abgang wieder die Eiche. 

    Wieder beginnt die OrgFlasche zurückhaltender, sind die Eindrücke im ersten Moment weniger präsent, gewinnen dann aber an Deutlichkeit. 

    Ich hab mir dann eine kleine Pause mit reichlich Wasser gegönnt, und dann einen zweiten Vergleich in umgekehrter Reihenfolge gemacht. Mit der OrgFlasche als Erstes waren die Aromen und Eindrücke gefühlt schneller präsent, konnte ich die Verzögerung kaum noch erahnen. 


    Fazit:

    In einer geöffneten Flasche verändert sich der Whisky. Soweit so "ha ha". 

    Ich hatte jetzt einen zwölfjährigen Tomatin über ein dreiviertel Jahr, und einen achtzehnjährigen Glenlivet über ein ganzes Jahr offen. Dazu kommt noch der dreijährige Slyrs, den ich über zehn Jahre offen hatte (gepostet unter "frisch geleert"), bei dem ich aber keine Vergleichsprobe hatte, sondern ich auf meine subjektiv notierte "Papierform" verlassen musste.


    Über diese drei Flaschen kann ich sagen, dass der Whisky nicht schlechter wurde, sondern im Fall des Slyrs sogar eher besser. 

    Der "12er" erfuhr eine dezente Veränderung in den wahrnehmbaren Noten. Beim "18er" änderten sich die Noten nach meiner Wahrnehmung nicht, sie schienen nur ein wenig zu verblassen, brauchten im Glas länger, um präsent zu werden. 

    Ich kann also für mich sagen, dass ich sorglos eine geöffnete Flasche länger stehen lassen kann. (Und je älter der Whisky, desto längere "Leerungszeiten" verträgt er.) Und wenn mir mal ein Tropfen im ersten Moment nicht munden will, kann es auch nicht schaden, ihn erst mal in der hinteren Schrankecke zu vergessen. :smile:


    Damit kann ich mir mehr offene Flaschen parallel leisten. Oje, das heißt, ich brauch bald einen größeren Schrank. Ob da die Familie mitspielt? :cry: 


    Für die meisten von Euch sind das hier sicher nur "olle Kamellen". Aber ich fand es für mich einfach spannend, so was nicht nur zu lesen oder zu hören, sondern auch wirklich selber zu probieren und erfahren. Und das Ergebnis ist für mich schon gut zu wissen. 



    "Am Rausch ist nicht der Whisky schuld, sondern der Trinker" (schottisches Sprichwort)

  • kdurro User kdurro Dabei seit: 01.08.2018Beiträge: 1,267Bewertungen: 0
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    Sam_Mumm schrieb:
     je älter der Whisky, desto längere "Leerungszeiten" verträgt er.



    Danke für das Experiment :smile: Das sagt :horst: ja auch, dass ältere Whiskys schon im Fass ordentlich durchoxidiert sind und sich dort daher nicht mehr viel tun dürfte. Mein kürzlich (in kleinere Flaschen, aber nur noch ca. 8 cl) geleerter Caol Ila 6 Jahre hat allerdings in knapp zweieinhalb Monaten Öffnung schon deutlich Rauch verloren. Je leerer die Flasche wurde, desto schneller. Auch das eigentlich keine Überraschung ... Gestern die gleiche Übung mit einem 10-jährigen Benrinnes, der im April geöffnet wurde und mir sehr lange gar nicht gut geschmeckt hat. Die verbliebenen ca. 20 CL kamen mir jetzt runder und süßer vor. Aber ein Direktvergleich ist natürlich was anderes.


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