Die Geschichte der Unabhängigen Abfüller
Single Malt Whisky ist alt. Nicht nur auf dem Etikett, sondern ebenfalls geschichtlich. 1995 feierte man seinen 500. Geburtstag. Vor dieser Zeit lag das Wissen um die Herstellung des Malt Whiskys in den Händen weniger Klöster. Außerhalb dieser 'Burgen des Wissens' blieb die Herstellung ein Geheimnis. Man braute Bier aus Gerste. Wie aber aus Bier Whisky wird, blieb den Meisten verborgen.
Hunderte Jahre später war das Geheimnis keines mehr. Die ersten Brennereien entstanden außerhalb der Klöster. Ab dem Jahr 1700 brannte fast jede Farm in Schottland, Irland und im Osten der USA zum Nebenerwerb. Es gab keine Alkoholsteuern und jeder Farmer versuchte zumindest einen Teil seiner Gerste zu 'veredeln'.
Der produzierte Whisky hielt sich nicht lange. So schnell wie er gebrannt wurde, rann er in den Pubs direkt vom Fass in die durstigen Kehlen. Jedes Fass schmeckt anders und durch die Unterschiede begann man auf den Abfüller zu achten. In den USA wurde zudem ein Gesetz erlassen, nach dem jedes Whisky-Fass mit der Grafschaft (County) der Herstellung gekennzeichnet sein musste. So wurde der Bourbon durch seine Herkunft aus dem Bourbon-County zum Begriff.
Im Laufe der Jahrhunderte eroberten sich Scotch und Bourbon ihren Platz in der Geschichte. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verdrängten die preiswerten und milden Blends in Glasflaschen die Malt Whisky Fässer aus den Pubs. Die Staaten benötigten Geld und die Brennlizenzen wurden für die Farmer unbezahlbar. Eine Konzentration setzte ein und aus Tausenden von schottischen Farmen entstanden nur wenige hundert Malt Whisky Brennereien. Sie arbeiteten meist der Blend-Industrie zu. Vorbei waren die Zeiten des geliebten Malt Whiskys aus kleinen Holzfässern.
Völlig vorbei? - Nicht ganz. Eine kleine Gemeinde verlangte weiterhin Malt Whisky, den es jetzt auch aus Glasflaschen gab. Schon um 1900 entstand eine Marktnische für Malt Whisky, in der z.B. Glenmorangie seinen Malt nach San Francisco exportierte. Doch diese Malt Whisky Abfüller waren nur wenige. Zu groß war der Aufwand für die Markenpflege und den Vertrieb.
Aufstieg der unabhängigen Abfüller
Vor 1825 entschloss sich Gordon & MacPhail, ein weit bekannter Lebensmittelhändler aus dem schottischen Elgin, Malt Whisky in Fässern zu kaufen und auf eigene Rechnung zu vermarkten. Bedeutende Malt Whisky Brennereien in der Speyside wie Macallan und Mortlach erkannten den positiven Effekt in diesem Handeln und ließen auch ihren eigenen Malt Whisky in Elgin abfüllen.
Nicht nur Gordon & MacPhail wussten um die Marktlücke. In den kommenden Jahren folgten ihnen viele andere Händler. Ein Jahrhundert mit zwei Kriegen und vielen Umwälzungen ließ die meisten dieser Unternehmen wieder untergehen.
Kein anderer bedeutender unabhängiger Abfüller als Gordon & MacPhail's überlebte die Zeit der Weltkriege. Stattdessen begannen die Brennereien, allen voran Macallan, Bowmore, Glenlivet und Glenmorangie, ihren Malt Whisky nun selbst zu vermarkten.
Noch waren Gordon & MacPhail vorwiegen Lebensmittelhändler, doch es sammelten sich größere Bestände von Malt Whisky-Fässern an, die heute ein Vermögen wert sind. Niemand auf der Welt, keine Brennerei und kein anderer unabhängiger Abfüller, kann aus einem so großen Lager alter Malts schöpfen wie sie.
Es dauerte bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts, bis mit Signatory Vintage Ltd. ein neuer bedeutender, unabhängiger Abfüller den Markt betrat. Im Gegensatz zu dem etablierten Gordon & MacPhail konzentrierte sich der junge Eigentümer ausschließlich auf schottische Single Malts. Keine Lebensmittel, kein Blend und auch keine eigene Brennerei, die abgelenkt hätte. Single Malts und sonst gar nichts. Die beiden Brüder Symington schafften es binnen 20 Jahren, den ganzen Markt mit beständiger Arbeit neu zu gestalten. Sie waren keine Manager mit weißen Hemden, die Angst vor schmutzigen Händen hatten. Sie trugen den Blaumann selbst und schafften binnen weniger Jahre, wozu andere Familien mehr als 100 Jahre brauchten.
Signatory ist heute ein unabhängiger Abfüller, der flexibel und mit Innovationskraft einen beständigen Strom frisch konfektionierter Malts in den Markt bringt. Ihre Beziehungen zu Brennereien sind hervorragend. Nur sie schafften es zum Beispiel, den verschollen geglaubten Ben Wyvis Single Malt noch einmal abzufüllen.
Doch bleiben wir realistisch. Gordon & MacPhail und Signatory sind kleine Familienunternehmen, die einige hundert Fässer unter eigenem Namen im Jahr abfüllen. Im Vergleich zu den Großen ist es ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch wenn ein toller Tropfen auf den heißen Stein, sprich Kehle, trifft.
Qualitätsverlust durch Überfluss
Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Bis September 2001 erschienen fast monatlich junge, unabhängige Abfüller auf dem Markt. Die meisten schaffen es nicht aus der Bedeutungslosigkeit ins Licht der Öffentlichkeit. Zu dubios sind die Quellen, aus denen die Malt Whisky Fässer stammen. Sehr unstet ist zudem die Qualität. Manch ein Abfüller hat die Fässer, die er abfüllt, im Leben nie gesehen. Der Begriff des 'Armchair-Bottlers' macht die Runde. Der Abfüller sitzt zu Hause im Lehnstuhl und lässt Malt Whisky abfüllen. Wie er schmeckt weiß er nicht. Es ist ihm auch egal. Malt Whisky ist 'In' und der Konsument wird einer tollen Geschichte und einem exotisch klingenden gälischen Namen schon auf dem Leim gehen.
So unmündig ist der Kunde jedoch nicht. Er merkt sehr wohl, wenn er übervorteilt wird. Einmal oder zweimal lässt er sich vielleicht hereinlegen. Ein drittes mal bestimmt nicht.
Auch die großen Konzerne haben die Gefahr dieser dubiosen Abfüllungen erkannt. Wehe eine schlechte Abfüllung erreicht mit ihrem Namen den Markt. Schon öfter wurde mit gerichtlichen Mitteln gegen diese Abfüllungen vorgegangen. Manche Brennereien verbieten rigoros die Verwendung ihres Namens. Dazu gehören die bedeutenden Brennereien Glenmorangie, Glenfiddich, Glenfarclas und Balvenie. Seit dem Sommer 2002 hat auch der größte Spirituosenkonzern der Welt Diageo beschlossen, keine Fässer aus seinen wichtigen Malt Whisky Brennereien mehr an unabhängige Abfüller zu verkaufen. Bestehende Verträge werden erfüllt, doch der Markt wird langfristig ausgetrocknet.
Stattdessen haben sie beschlossen, dieses Geschäft mit den hochwertigen Abfüllungen selbst zu machen. Die permanent auf den Markt gebrachte Anzahl an speziellen Abfüllungen der Konzerne ist mittlerweile beeindruckend. Die Private Collection von Glenmorangie und Special Releases von Diageo sind mittlerweile bei Sammlern hoch beliebt.
Die unabhängigen Abfüller sehen die heraufziehende Gefahr. Es wird nicht lange dauern und sie sitzen sprichwörtlich auf dem Trockenen. Mit zweit- und drittklassigen Brennereien wird sich in Zukunft kein Blumentopf mehr gewinnen lassen. Der Vorteil der großen und bekannten Namen ist bestechend. Wenn die Großen noch Fässer hergeben, dann werden sie sich die Markenpflege bezahlen lassen.
Ein gegenläufiger Trend ist absehbar. Gordon & MacPhail hat die Brennerei Benromach erworben. Ian MacLeod Glengoyne und Murray McDavid, ein aufstrebender junger Abfüller kaufte die Brennerei Bruichladdich. Nur Signatory hing bis Sommer 2002 dem Markt noch etwas nach. Ursprünglich wollten sie Ardbeg kaufen, unterlagen beim Bieten aber der größeren Glenmorange Plc. 2002 haben sie dann die kleine Edradour Brennerei erworben.
Wie geht es weiter mit den unabhängigen Abfüllern?
Mittelfristig wird sich der Markt bereinigen. Zu viele kleine Abfüller mit nur einigen abgefüllten Fässern pro Jahr sind nicht überlebensfähig. Langfristig müssen sie sich neue Strategien überlegen.
Z.B. kann man sich eine ganz neue Brennerei aufbauen, wie es Isle of Arran, Drumguish (Speyside) oder Kilchoman vorgemacht haben. Der leichteste und heute am häufigsten bestrittene Weg ist jedoch die Übernahme einer geschlossenen Brennerei. Der Teufel steckt im Detail. Welche hervorragende Brennerei ist stillgelegt und bezahlbar?
Je weniger bekannt der Name, um so niedriger fällt der Kaufpreis aus. Um so geringer ist aber auch das Potenzial. Zu lange darf die Brennerei zudem nicht geschlossen sein. Sonst reicht die Lagergröße nicht aus, um langfristig seinen Kundenstamm zu halten. Man steckt in einer Zwickmühle. Welche Brennerei wird die nächste sein?
Die Großen spielen ihre Überlegenheit aus und teilen den Markt unter sich auf. Jedoch nur den Markt, der für sie attraktiv ist. Wer außer Spezialisten will schon einen unabhängigen Tomintoul, Tamnavulin oder Glencadam probieren? Hier darf immer noch abfüllen wer will. Die bekannten Marken werden sich dagegen das Geschäft nicht aus der Hand nehmen lassen. Eins ist sicher. Guter Single Malt Whisky hat seinen Preis. Und viele Menschen sind bereit ihn zu bezahlen. Das haben die Schotten verstanden. Ob wir nun einen Single Malt einer großen oder kleinen Brennerei - kühlgefiltert oder nicht - kaufen. Unser Geschmack lässt sich nicht täuschen.
Lösen wir uns von der David und Goliath Geschichte. Kleine wie Große haben die gleiche Chance. Der Genießer konsumiert den Single Malt Whisky der ihm schmeckt und nicht den, den man versucht, ihnen mit den tollsten Geschichten einzureden. So werden auch in Zukunft tolle Single Malt Whiskys aus kleineren Brennereien in geringeren Mengen auf dem Markt kommen. Die Welt ist ein Dorf. Jeder kann auf dem Welt-Marktplatz seine Waren feilbieten. Letztendlich entscheidet der Käufer, welche Brennereien und Abfüller überleben werden.