Kleiner Reisebericht

othorion

So, nach 2 ereignisreichen und sowohl wettertechnisch als auch anderweitig sehr schönen Wochen in Schottland bin ich seit ein paar Tagen wieder zurück. Und wie ihr im Neuanschaffungsthread ja lesen konntet auch mit schöner Beute 

Der Urlaub war kein reiner Whisky-Urlaub, aber dank einer verständnisvollen Ehefrau (der Allerbesten!) haben ihr doch auch einige Brennereien besucht und ein paar Eindrücke/Erkenntnisse möchte ich hier mit euch teilen.

Vorneweg noch eine Bemerkung: Irgendwo an anderer Stelle hier im Forum hat mal jemand im Zusammenhang mit Brennereibesichtigungen gesagt: hat man eine gesehen, hat man alle gesehen! Meine Frau, die mit mir bei Slyrs war und jetzt im Urlaub auch die Edradour Tour mitgemacht hat, würde das auch so unterschreiben. Ich sehe das allerdings etwas anders. Natürlich sind die Grundinhalte der Touren austauschbar, da immer der Prozess der Whiskyherstellung beschrieben wird und der überall sehr ähnlich aussieht. Trotzdem wurde ich nicht müde Touren zu machen, da die Tourguides in allen erlebten Fällen immer auch kleine, brennereispezifische Anekdoten und Geschichten erzählt haben und sich zudem mit großer Sachkenntnis und Begeisterung immer auch viel Zeit zur Beantwortung aller Fragen genommen haben. Besonders toll war das bei Glengoyne und Glendronach, aber dazu gleich noch mehr. Also mein Fazit ist, dass es sich für einen Nerd wie mich immer lohnt, wenn es die Zeit erlaubt, auch noch eine Tour bei einer bis dato nicht besuchten Brennerei mitzunehmen.

Besucht haben wir im Urlaub Edradour, Royal Lochnagar, Glendronach, Glen Grant, Benriach, Glenlivet, Oban und Glengoyne.

Aus Zeitgründen und auch weil ich die Gutmütigkeit meiner Frau nicht zu sehr ausnutzen wollte, habe ich die Führungen bei Edradour, Royal Lochnagar, Glendronach und Glengoyne mitgemacht.

Ausser Glenlivet, was schon sehr nach professioneller Fabrik aussieht, waren die alle nett anzuschauen.

Edradour ist von den Gebäuden her sehr schön, die Führung war gut, man durfte sogar durchs Warehouse laufen und vor allem haben die eine toll sortierte Bar als Ausgangspunkt für die Führungen, wo man viele schöne Edradours und Ballechins aber auch etliche alte Signatory Abfüllungen probieren kann. Sehr empfehlenswert! Im Besucherzentrum kann man ebenfalls neben den eigenen Abfüllungen vieles von der Signatory- Mutter erwerben, und es gibt ein paar Distillery only Abfüllungen, die mich aber nicht zum Kauf verleiten konnten.

Royal Lochnagar war ein Zufallsfund, weil das direkt neben Balmoral Castle liegt, und da sind wir dann gleich weitergefahren. Hier war ich sehr positiv überrascht, die Leute waren supernett, die Führung klasse und sehr witzig gemacht und der Whisky war auch gut. Man konnte sogar an diversen alten Whiskys direkt aus den Fässern schnuppern. Leider durfte man aber keine Fotos machen. Ich hatte bis dato noch keinen Royal Lochnagar im Glas. Es gibt allerdings nicht viele Abfüllungen, genau genommen nur zwei, den 12jährigen und den Distillery only Special Edition. Der 12er ist ok, die distillery only Abfüllung hat mich dagegen so überzeugt, dass ich gleich eine Flasche mitgenommen habe. 

Glendronach war dann die nächste Tour, und hier hatte ich Glück eine Privatführung bekommen. Wir waren gegen Mittag an einem Samstag dort und die einzigen Besucher zu dieser Zeit, und da meine Frau nicht noch eine Tour machen wollte, ging Sie lieber draußen spazieren (und hat durchs Fenster ein paar Bilder von mir und meinem Tourguide schießen können, denn auch hier durfte leider wieder nicht fotographiert werden). Also wurde ich ganz alleine durch die Anlage geführt und nachdem mein Guide, eine nette Dame namens Karen, merkte dass ich mich wirklich für Whisky interessiere, auch ein bisschen Ahnung habe und vor allem ein Glendronach-Fan bin, hat Sie mir super viel erzählt und auch ein paar Dinge gemacht, die Sie wohl eigentlich nicht darf. Als wir zB auf der Ebene der Spirit Stills beim Spirit Safe standen, haben wir durch die großen Fenster draußen jemanden zum Auto gehen sehen, der wohl was zu sagen hat.

Jedenfalls hat Sie gewartet, bis der endgültig per Auto das Gelände verlassen, grinste mich dann an und fragte ob ich schon mal New Make probiert hätte. Hatte ich natürlich nicht und Sie ging zu einer Kiste neben dem Spirit Safe, wo wohl vorher Proben genommen worden sind, um den Alkoholgehalt zu bestimmen, wie das ja immer gemacht wird, um zwischen Vorlauf, middle cut und Nachlauf zu unterscheiden. Eine Probe haben wir dann verrochen und probiert, Sie hatte so kleine Fläschchen zum Abfüllen der Samples für die Fahrer in der Tasche, die wir dafür benutzt haben. War interessant und ich fand es faszinierend, dass das Zeug trotz des hohen Alkoholgehalts in der Nase hauptsächlich fruchtig und sogar schon dunkelfruchtig in Richtung Pflaume. Im Mund dann bam, ölig, buttrig, wieder Pflaumen aber auch scharf und pfefferig, da drückt der Alkohol dann schon rein, aber insgesamt durchaus überraschend trinkbar.

Und bei den Wasbacks haben wir nicht nur einen geöffnet und verrochen, sondern alle. Bei einem war der Schaum so hoch, dass der Switcher gerade in vollem Gange war und Zack haben wir beide eine kleine Schaumdusche abbekommen. Insgesamt hat die Tour, für die normalerweise 45 Minuten vorgesehen sind deutlich über eine Stunde gedauert. Weitere Erkenntnisse im Übrigen: laut Karen wurde der Revival eingestellt, weil sonst nicht mehr genug alte Fässer für den Allardice und den Parliament übrig geblieben wären. Aufgrund der Schliessungsperiode und weil Glendronach bisher immer ihrem Geschmacksstil treu bleiben wollte, sind sowieso schon immer auch noch ältere Fässer in den Mischungen verwendet worden, aber irgendwann erreicht man natürlich Grenzen. Auf meine Frage, was dann mit Allardice und Parliament zu erwarten ist, grinste Sie nur und meinte, naja, das ist zwar nicht ihre Entscheidung, aber Sie würde vermuten, dass es auch da mal zu einer vorübergehenden Einstellung kommen könnte (ich denke mal, dass Sie das überhaupt so gesagt hat, lag auch daran, dass wir nur zu zweit unterwegs sind, ansonsten wurden solche Fragen nach der zukünftigen Produktpalette eigentlich immer ausweichend beantwortet, da war das schon ein ziemlich deutliches Statement) Sie sagte aber auch, dass der 15jährige dafür wohl demnächst zurück kommt, ob der aber wieder Revival heißen wird und wie der preislich aussehen wird, dazu konnte Sie nichts sagen. Für Papa gab es dann noch ein distillery only Single Cask 1994/2015 

Randbemerkung: Glendronach hat im Gegensatz zu den beiden vorherigen keine Schanklizenz, also probieren kann man nur im Rahmen einer Tour. Und neben dem alten Single Cask gibt es dort auch noch einen Jungen zum selbst Abfüllen, der wohl auch gut sein soll.

Glen Grant ist eigentlich von den Gebäuden und dem Grün außen herum auch ganz nett, das Visitor Centre sieht aber eher aus wie ein Apple Store und alles ist auf Kommerz ausgelegt. Die distillery only Editions sind natürlich NAS. Die Dame im Visitor Centre war zwar nett und hübsch, hatte aber wenig Ahnung von Whisky. Hier haben wir uns einen längeren Aufenthalt erspart.

Oban ist spannend, weil es die einzige Brennerei direkt in einer Stadt ist, und weil man Diageo Special Releases in der Bar probieren kann. Ich hab dort die Clynelish Select Reserve für 20'Pfund den Dram probiert. Leckerer Stoff, für 100 Euro die Flasche würde ich den Bunkern, für 150 mir vllt. mal eine gönnen, aber für den aufgerufenen Preis? Leider hoffnungslos überteuert, aber eine Erfahrung war es wert. Ausserdem haben die bei Oban noch fast alle Flora und Fauna Bottlings zu fairen Preisen (außer den Clynelish natürlich).

Glengoyne schließlich war ebenfalls sehr cool, nach der Führung, in der unter anderem anhand von Beispielen gezeigt wurde, wie sich die Farbe und der Angels Share in Abhängigkeit von Fasstyp und Reifungsdauer entwickeln, habe ich mich dort noch kostenfrei gemeinsam mit meiner Frau und dem Tourguides durch die distillery only Abfüllungen Teapot Dram und handfilled probieren dürfen, da wir die letzte Tour an dem Tag waren. Gab noch ein nettes Schwätzchen mit dem Personal, da wir die letzten waren, die noch dort waren, und natürlich hab ich mir dann noch einen handfilled mitgenommen.

othorion

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[Gelöschter Benutzer]

Hallo,

ein fantastischer Bericht, sehr schön geschrieben. Mußte mir gerade mal ein Dram einschenken , so viel Spaß macht das hier.

Die vielen tollen Bilder runden das Ganze nett ab.

Für mich jede Menge Input, am 02.Oktober gehts für meine Holde und mich nach Schottland. Edradour und Glengoyne stehen auch auf unserer Liste.

Nach Oban sind es nur 60 Min. Fahrzeit, hatte ich noch nicht auf dem Schirm.

Werde ich dann wohl mal vorbeifahren.

Vielen Dank für den Bericht,

Gruß Chest

Hubertus

@othorion 

vielen Dank für deinen schönen Reisebericht und das es ein erlebnissreicher Urlaub war.

Das mit Glen Grant ging uns letztes Jahr genau so.

Wenn ich da an den Besuch 2000 zurück denke.

Bei Glengoyne konnten wir den Handfill und Teapot auch ohne Führung probieren  und haben uns dann auch für den Handfill entschieden.

Bei Knockdhu/An Cnoc durften wir auch in alle Washbacks schauen und schon interessant die unterschiedlichen Fermentierungsschritte zu sehen und zu riechen.

othorion

@Chest Oban lohnt sich sowieso, finde ich. Ist ein schönes, kleines Hafenstädtchen. Ich wünsche euch viel Spaß, gutes Wetter und einen tollen Urlaub!