Single Malt Whisky Kostensplit

  • 666ppm
    Themenersteller
    User 666ppm
    Dabei seit: 27.10.2009Beiträge: 87Bewertungen: 0

    Hallo zusammen,

    ich bin schon seit längerer Zeit auf der Suche nach einem ungefähren(!) Kostensplit einer Flasche Single Malt Whisky, d.h. wie sich der Verkaufspreis einer Standardabfüllung im klassischen Preissegment von 30-50 EUR aufteilt. Mir ist schon klar, daß hier die Unterschiede von Destillerie zu Destillerie sehr groß sind, aber mir geht es mehr um Pi mal Daumen-Werte: Rohstoff- /Herstellungskosten, Marketingkosten, Lager- und Logistik, Steuer, Gewinnmarge Destillerie und Händler, etc etc etc ...

    Hat jemand so was ähnliches schon mal in den Händen gehabt bzw. sich da im Detail Gedanken gemacht?

    Schöne Grüsse
    666ppm

    "Always carry a flagon of whiskey in case of snakebite and furthermore always carry a small snake." W.C. Fields
  • Horst_S User, Administrator Horst_S Dabei seit: 07.05.2004Beiträge: 5,211Flaschensammlung:Horst_S SammlungBewertungen: 1364
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    "666ppm" schrieb:
    Hat jemand so was ähnliches schon mal in den Händen gehabt bzw. sich da im Detail Gedanken gemacht?

    Ja, natürlich.

    Ich habe in zwei aufeinanderfolgenden The Whisky Times eine Vollkostenrechnung für eine fiktive, kleine, neu zu gründende Brennerei gemacht. Die Ergebnisse sind erschreckend.

    Whisky kostet in der Herstellung nix :exclaim: Zumindest sehr wenig. Das kann man unmittelbar an den Billigstpreisen für eine Flasche Blended Scotch bei den Discountern sehen. Ab 4,99 EUR sind sie dabei. Ziehen Sie von diesem Preis die MwSt. (19%) ab, und dann noch die Alkoholsteuer (=3,65 EUR), dann bleibt so gut wie nix (54ct) übrig. Und davon muss man neben dem Whisky noch die Flasche, das Label, den Verschluss und den Transport bezahlen.

    Ok, Single Malt ist teurer. Aber auch meine Rechnungen haben keine höheren Kosten als 1 bis 2 EUR/Flasche ergeben.

    Nehmen wir also eine gute Flasche für 40 EUR. MwSt. und Alkoholsteuer weg bleiben ziemlich genau 30 EUR übrig.

    Nun kommt es sehr darauf an, durch wie viele Hände die Flasche geht. Und vor allem, in welchen Stückzahlen. Ganze Paletten verursachen geringe Kosten pro Flasche - reicht man die Flasche einzeln weiter, sind die Kosten natürlich höher. Stehen die Flaschen längere Zeit irgendwo in einem Lager rum, laufen die Bankzinsen.

    Der Riesenbatzen an Kosten fällt aber bei den Konzernen mit dem zentralen Marketing an. Hier geht es ja gleich um Etats von Millionen. Verteilt sich das Marketing (z.B. Glenfiddich) auf sehr viele Flaschen (10 Mio.), kann die Ware billiger verkauft werden. Macht man millionenschwere Werbung für geringere Auflagen bei einer Neueinführung, dann kann man schon einmal 10 bis 20 Euro Marketingkosten auf einer Flasche haben.

    Was am Ende tatsächlich an Kosten rauskommt, hängt wirklich an der Anzahl der Hände, durch die die Flasche geht. Mit weniger als 2 Euro Kosten pro Flasche kommt Niemand in der Kette aus. 10 - 15 Euro pro Flasche sind bei den Distributoren nicht selten. Schließlich fahren da 'teure' Menschen mit 'teuren' Dienstwagen durchs Land. Wie viel der Einzelhändler dann auf die Whiskys draufschlagen muss, hängt von seiner eigenen Kostenstruktur ab.

    Gruß
    Horst Lüning

    Gruß Horst Lüning Admin, Whisky.de
  • 666ppm
    Themenersteller
    User 666ppm
    Dabei seit: 27.10.2009Beiträge: 87Bewertungen: 0
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    Besten Dank für die Antwort! :smile:

    Also sind das Land, auf dem die Brennerei steht, die gesamten technischen Anlagen, Gebäude, dort arbeitende Menschen und die vielen Kleinigkeiten vorhanden, oder wie?...

    Mal ins Blaue(!!!) geschossen:

    Fixkosten: Wenn man mal satte 10 Mio EUR für "Plant, Property and Equipment" (also Anlagevermögen) ansetzt und Abschreibungszeitraum von 20 Jahren nimmt: Bei einer Jahresproduktion von 1 Mio. Flaschen (~Ardbeg), d.h. 20 Mio. Flaschen in 20 Jahren, entfallen grob 50 cent auf eine Flasche (bzw. Kapitalkosten bei Fremdfinanzierung).

    Variable Kosten: Rohstoffkosten, Energiekosten, Personalkosten. Auf die einzelne Flasche umgerechnet wird das denke ich auch nicht so viel ausmachen.

    Ich hatte irgendwo mal gelesen, daß man insgesamt ca. 1-2 EUR Herstellungskosten (inkl. Kapitalkosten) pro Flasche ansetzen kann.

    Das mit den Marketingkosten stimmt also anscheinend wirklich. Mir hat jemand von Diageo auch mal gesagt, daß ~10 EUR pro Flasche anfallen können.

    Was nutzt es mir im wirklichen Leben, wenn ich weiß wieviel eine Rolex oder ein VW Campingbus wirklich kostet? Bekommen werde ich die guten Stücke nie zu diesem Preis. Das gilt auch beim Whisky...

    "Es gibt nur zwei Arten von Menschen, die wirklich fesseln - Leute, die alles wissen, und Leute, die überhaupt nichts wissen" (Oscar Wilde).

    Zu welcher Gruppe wollen Sie gehören, WK? :wink:

    "Always carry a flagon of whiskey in case of snakebite and furthermore always carry a small snake." W.C. Fields
  • Bobby User Bobby Dabei seit: 30.12.2008Beiträge: 2,081Bewertungen: 2
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    "666ppm" schrieb:
    "Es gibt nur zwei Arten von Menschen, die wirklich fesseln - Leute, die alles wissen, und Leute, die überhaupt nichts wissen" (Oscar Wilde).

    Zu welcher Gruppe wollen Sie gehören, WK? :wink:


    :biggrin: :biggrin: :D 8)

    John Sinclair : "Wenn die feinen Geister tanzen sind meistens auch ein paar Spukgestalten dazwischen." http://www.maltheads-united.de/
  • Horst_S User, Administrator Horst_S Dabei seit: 07.05.2004Beiträge: 5,211Flaschensammlung:Horst_S SammlungBewertungen: 1364
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    "whiskykanzler" schrieb:

    Also sind das Land, auf dem die Brennerei steht, die gesamten technischen Anlagen, Gebäude, dort arbeitende Menschen und die vielen Kleinigkeiten vorhanden, oder wie?...

    Hier muss man sich die Sache im Detail ansehen. Die meisten Brennereigebäude stehen bereits seit über 100 Jahren. Und ja, man sieht es ihnen an. Auch der Grund ist in Schottland nicht wirklich teuer. Nach der Wirtschaftskrise schon zweimal nicht.

    Es bleiben bei einer Brennerei die variablen Kosten übrig. Und die sind:

    Energie, Personal, Malz

    Dann kommt lange, lange nix. Und dann kommen Wartung und Reparaturen. Natürlich kostet ein Sherryfass 350 Pfund. Doch es wird in der Regel mehrfach verwendet. Dafür kostet ein normales Fass aus amerikanischer Weißeiche nur 30 Pfund.

    Damit ergibt sich ein 'deutlicher' Unterschied von 50pence/Flasche.

    "whiskykanzler" schrieb:
    Discounter kaufen Überkapazitäten, bei denen der Hersteller vielleicht sogar froh ist sie loszuwerden.

    In Schottland weiß man, was man macht. So hinterwäldlerisch sind die schon lange nciht mehr - bzw. waren sie noch nie. Man würde nie Whisky herstellen, den man nicht mit wenigsten ein bisschen Gewinn oder meinetwegen Deckungsbeitrag loswerden würde. Wenn man dann den anderen, guten Whisky teurer verkauft, dann sind wir bereits nicht mehr im Bereich der Herstellungskosten sondern schon bei Angebot und Nachfrage, die bekanntlich den Preis bestimmen. Whisky zu produzieren, der von Haus aus Verluste produziert, macht Niemand. Vor allem nicht die globalen Konzerne mit ihren Controllern.

    "whiskykanzler" schrieb:
    Was nutzt es mir im wirklichen Leben, wenn ich weiß wieviel eine Rolex oder ein VW Campingbus wirklich kostet? Bekommen werde ich die guten Stücke nie zu diesem Preis. Das gilt auch beim Whisky...

    Es hilft Ihnen aber, die Welt als Ganzes besser zu verstehen. Wenn Sie dieses wissen, dann können sie ihrem Handelspartner auf der anderen Seite des Tisches besser die Hosen runterziehen. Sie wissen ja, dass er dann nicht blank dastehen wird. Am Ende verstehen Sie dann auch, warum bei einem großen Blend in Schottland 500 Arbeitsplätze fallen und 400 weitere verlagert werden. Die Zeiten, in denen man sich an den herausragenden Gewinnen an diesem Whisky gut halten konnte, sind vorbei. Jeder muss sich für seine Wertschöpfung am Verteilungsprozess gegenüber seinen anderen Handelspartnern rechtfertigen.

    Wenn ein Konzern 15 oder 20 Euro Marketingkosten auf einen Malt d'raufschlägt, dann muss da beim Händler ein 'Easy-Abverkauf' dabei herauskommen, wenn man ihm selbst keine vernünftige Handelsspanne zubilligt. Am liebsten ist doch den Konzernen, wenn sie uns sozialistisch, gleichmacherisch den identischen EK zuweisen und auf die Kostenstruktur des Händlers keine Rücksicht nehmen müssen. Der große Konzern hält sich gut an der Marge und die kleinen Händler sollen sich als Fußvolk selbst mit den Preisen unterbieten.

    Nee, so geht es nicht. Das kann man gerade auch in der Automobilindustrie beobachten. 25% aller Autohändler sollen in diesem Jahr in die Insolvenz gehen, weil die Konzerne die Margen der Händler immer weiter gekürzt haben.

    Leben und verkaufen können wir alle nur, wenn wir fair den VK unter uns aufteilen. Wenn die einen wie Sie sich den ganzen Tag die Füße im Laden platt stehen und wir uns die Hacken ablaufen, dann muss dabei das Gleiche herauskommen, wie bei den Produktmanagern in den Konzernzentralen, die permanent durch die Welt jetten und in Meetings hocken. Aber auch bei unseren nicht-organisierten Mitarbeitern muss das Gleiche rauskommen, wie bei den organisierten in den herstellenden und vertreibenden Abteilungen der Konzerne.

    Tut es aber (noch) nicht. Wir sind aber auf dem besten Weg zu mehr Fairness. Die Krise richtet es gerade.

    Gruß
    Horst Lüning

    Gruß Horst Lüning Admin, Whisky.de
  • Inquisitor User Inquisitor Dabei seit: 21.07.2008Beiträge: 601Flaschensammlung:Inquisitors SammlungBewertungen: 0
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    In Bezug auf Kosten für neue Destillerien erlaube ich mir, an Horst_S seinen Beitrag vom Juni 2009 zu erinnern:

    "Horst_S" schrieb:
    Hallo,

    auch wir sind im Vorfeld bereits zur Finanzierung dieser Brennerei befragt worden.

    Hier und heute kann ich schon einmal die Ergebnisse von einem einfachen Brennereimodell vorstellen, die ich bereits 2003 im unserer The Whisky Times veröffentlicht habe.

    Teil 1
    Teil 2


    Quelle

    Zum Thema Abverkauf von Überkapazitäten fällt mir ein Bericht über französiche Weinbauern ein. Dort wurde über sehr den veralteten Marktmechanismen verhafteten Weinbauern berichtet, die bei der Rotweinschwemme ihren Wein nicht mehr loswerden. Die Trinkgewohnheiten haben sich verändert, weltweite Weinproduzenten hatten schon längst in der Qualität und bei den Produktionskosten diese Franzosen überflügelt. Diese Weinbauern, die nicht mit der Zeit gegangen waren, saßen dann immer noch auf der Ernte des Vorjahres rum, die man ihnen höchstens für einen Spottpreis unter den Herstellungskosten abgenommen hätte. Was nun? Die nächste Ernte stand schon wieder an und die Tanks waren alle noch voll.
    Gibt es so etwas auch bei Whiskyproduzenten? Gerade die Konzerne und Destillen, die weniger auf dem Single Malt Markt präsent sind, könnten doch auch von ähnlichen Effekten betroffen sein?

  • vizilo User vizilo Dabei seit: 23.03.2009Beiträge: 97Bewertungen: 0
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    "Horst_S" schrieb:
    Am Ende verstehen Sie dann auch, warum bei einem großen Blend in Schottland 500 Arbeitsplätze fallen und 400 weitere verlagert werden.

    Das kann ich nur bedingt verstehen. Wenn man seine Abfüllanlagen an einem Standort zusammenzieht und modernste, d.h. in der Regel mitarbeiterlose Technik einsetzt, kann man vielleicht 20 cent pro Flasche einsparen. Bei 200 Mio. JW Flaschen ist man dann um jährlich 40 Mio. EURO reicher. Eine riesige Summe, für mich zumindest. Für Diageo bedeutet es eine Steigerung seines operating profits um knapp 2% (der betrug in 2009 sagenhafte 2443 Mio. GBP). Ist es das wirklich wert, einen Großteil der schottischen Bevölkerung gegen sich aufzubringen und seine Marken zu entwurzeln? Ich denke nein.

    Viele Grüsse,
    Marc

  • Anonymous User Anonymous Dabei seit: 04.05.2004Beiträge: 5,870Bewertungen: 0
    , letzte Änderung 7. April 2010 um 14:13
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    ..........

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