Qualität oder eine Frage des Geschmacks

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  • Gloin
    Themenersteller
    User Gloin
    Dabei seit: 04.01.2012Beiträge: 5,816Bewertungen: 20

    Hallo zusammen,

    seit einiger Zeit treibt mich die Frage um, ob es eine objektive Qualität beim Whisky gibt bzw. überhaupt geben kann. Oder ist es am Ende einfach nur eine Frage des individuellen Geschmackes? Irgendwie kann ich mich nicht damit anfreunden, dass es am persönlichen Geschmack gemessen wird, ob ein Whisky gut ist oder nicht. Warum nicht? Nun, ich mag z.B. gerne Cola, aber ich würde nie behaupten, dass es sich bei Cola um ein qualitativ hochwertiges Getränk handelt. Und irgendwann möchte ich mal dahin kommen, einen Whisky nach seiner Qualität beurteilen zu können, auch wenn er mir nicht schmeckt. Leider bin ich noch lange nicht dort.

    Deshalb habe ich mir einige Kriterien überlegt, an denen man eventuell messen könnte, ob ein Whisky qualitativ hochwertig ist oder nicht. Diese möchte ich hier zur Diskussion stellen und des Weiteren auch darüber diskutieren, ob das alles reines Wunschdenken von mir ist. Kann man den persönlichen Geschmack soweit ausblenden, dass man einen Whisky einigermaßen objektiv beurteilt.

    Natürlich kann man den persönlichen Geschmack nicht komplett außen vor lassen, denn unser Geschmack (damit meine ich im folgenden auch immer Geruch) ist ja nun einmal individuell entwickelt und außerdem unser einziges Messinstrument für die Beurteilung von Whisky. Ausblenden lassen sich aber vielleicht die persönlichen Vorlieben.

    Hier sind nun also die Kriterien, die ich mir überlegt habe. Zerreißt sie in der Luft oder ergänzt und korrigiert sie nach Belieben. Ich bin gespannt auf Eure Meinungen:

    Brennereicharakter

    Hier geht es natürlich nicht darum, ob man einen Brennereicharakter mag oder nicht, sondern darum, ob sich ein wiedererkennbarer Brennereicharakter feststellen lässt. Wenn ja, so werte ich das als ein positives Indiz für Qualität. Bezogen auf Blends muss man den Brennereicharakter wohl mit Marken-Charakter ersetzen ("Das ist kein Jim Beam!" )

    Fass

    Kann man die Art des Fasses herausschmecken ohne dass der Brennereicharakter völlig überdeckt wird? Damit ist nicht gemeint, umso intensiver der Fasseinfluss, umso besser, sondern, ob die Art des Fasses erkannbar ist. Welche Vorgeschichte hatte das Fass, aus welcher Eichenart ist es gemacht, ist es mehrfach oder erstmals befüllt. Wenn ich das erkenne, ist das für mich eine Zeichen von Qualität.

    Individualität

    Hiermit meine ich die Frage, ob der Whisky einen eigenen schwer verwechselbaren Charakter erkennen lässt. Hat der Whisky einen individuellen Stil oder ist er beliebig und austauschbar? Individualität ist für mich ein Qualitätsindiz.

    Produktversprechen

    Hält der Whisky was er verspricht? Damit meine ich nicht unbedingt, ob mein persönliches Geschmacksempfinden mit den Geschmacksbeschreibungen auf der Flasche übereinstimmt, sondern, ob der Whisky das liefert, was man von der Papierform erwarten kann. Also z.B. ist das Alter erkennbar, liefert das Fass und der Brennereicharakter das, was sie sollten, ist Rauch da, wenn er da sein soll oder umgekehrt? Hat der Whisky die Farbe, die ich mir erwarte (Färbung ist also schon mal Mist)

    Alkohol

    Ich erwarte von einem hochwertigen Whisky, dass der Alkohol gut eingebunden ist und der Whisky nicht "sprittig" schmeckt. Dabei muss dies nicht unbedingt bei der Alkoholkonzentration der Fall sein, mit der der Whisky in die Flasche gefüllt wurde, sonst wären ja alle Fassstärken von vornherein minderwertig. Es geht eher darum, ob es leicht gelingen kann, den Whisky auf das gewünschte Niveau zu bringen. Verwässert der Whisky zu leicht ist das genauso Mist wie, wenn der Whisky bei 40% immer noch schmeckt wie "Stroh 80".

    Ich hoffe auf eine rege und konstruktive Diskussion.

  • ASWhisky User ASWhisky Dabei seit: 18.08.2012Beiträge: 8,818Bewertungen: 288
    Optionen

    zu dem Thema Brennereicharakter

    Der Stil der Brennerei sollte durchaus erkennbar bleiben
    Allerdings empfinde ich es ähnlich wie bei einem Künstler oder Architekten
    Als fehlendes Können und mangelnde Kreativität, wenn die Abfüllungen sich zu sehr ähneln
    Ein oder zwei gute Abfüllungen machen noch keine gute Brennerei
    Hoher Qualitätsstandard bei möglichst allen Abfüllungen ist für mich ein weiteres Kriterium einer guten Brennerei

    image„Der Tod ist gewissermassen eine Unmöglichkeit, 
die plötzlich zur Wirklichkeit wird.“  Johann Wolfgang von Goethe

    _______________________________________________________________________________________________

  • Gloin
    Themenersteller
    User Gloin
    Dabei seit: 04.01.2012Beiträge: 5,816Bewertungen: 20
    , letzte Änderung 12. Januar 2014 um 21:50
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    "ASWhisky" schrieb:
    zu dem Thema Brennereicharakter

    Der Stil der Brennerei sollte durchaus erkennbar bleiben
    Allerdings empfinde ich es ähnlich wie bei einem Künstler oder Architekten
    Als fehlendes Können und mangelnde Kreativität, wenn die Abfüllungen sich zu sehr ähneln
    Ein oder zwei gute Abfüllungen machen noch keine gute Brennerei
    Hoher Qualitätsstandard bei möglichst allen Abfüllungen ist für mich ein weiteres Kriterium einer guten Brennerei



    Mir geht es zunächst aber um die Qualität der einzelnen Abfüllungen und nicht um die ganzer Brennereien. Dazu plane ich noch ein eigenes Thema.

    Zu meiner eigentliche Frage, wie Du meine vorgeschlagenen Qualitätskriterien findest und ob es sowas wie objektive Qualität überhaupt gibt, hast Du nichts geschrieben. Deine Meinung dazu würde mich sehr interessieren.

    ASWhisky gefällt das
  • theo22 User theo22 Dabei seit: 07.10.2011Beiträge: 4,628Bewertungen: 0
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    Hallo Gloin

    Ich finde deine Frage gut, und ich finde auch die vorgeschlagenen Kriterien gut.

    Was ich noch hinzunehmen würde ist der Faktor der Ausgewogehnheit, Harmonie etc.
    D.h. ob z.B. Holz und Süße aufeinander abgestimmt sind.

    Ich denke aber leider, dass man einen absoluten Konsens über "Qualität" nicht hinkriegen wird.

  • ASWhisky User ASWhisky Dabei seit: 18.08.2012Beiträge: 8,818Bewertungen: 288
    , letzte Änderung 12. Januar 2014 um 21:59
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    "Gloin" schrieb:
    "ASWhisky" schrieb:
    zu dem Thema Brennereicharakter

    Der Stil der Brennerei sollte durchaus erkennbar bleiben
    Allerdings empfinde ich es ähnlich wie bei einem Künstler oder Architekten
    Als fehlendes Können und mangelnde Kreativität, wenn die Abfüllungen sich zu sehr ähneln
    Ein oder zwei gute Abfüllungen machen noch keine gute Brennerei
    Hoher Qualitätsstandard bei möglichst allen Abfüllungen ist für mich ein weiteres Kriterium einer guten Brennerei



    Mir geht es zunächst aber um die Qualität der einzelnen Abfüllungen und nicht um die ganzer Brennereien. Dazu plane ich noch ein eigenes Thema.

    Zu meiner eigentliche Frage, wie Du meine vorgeschlagenen Qualitätskriterien findest und ob es sowas wie objektive Qualität überhaupt gibt, hast Du nichts geschrieben. Deine Meinung dazu würde mich sehr interessieren.


    Das Männer immer so ungeduldig sind :razz:
    Ich wollte erst einmal zu Punkt eins
    Dem Brennereicharakter etwas schreiben
    Bei der Bewertung einer Abfüllung fließt auf jedenfall auch ein wenig die Güte der Brennerei mit ein
    Die anderen Punkte arbeite ich auch noch ab
    Es macht mir Spaß und das möchte ich bitte auch genießen 8)
    Schöner Thread Gloin!

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die plötzlich zur Wirklichkeit wird.“  Johann Wolfgang von Goethe

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  • iDad User iDad Dabei seit: 14.01.2013Beiträge: 2,266Flaschensammlung:Kellerkinder von früher.Bewertungen: 61
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    Das ist ein interessantes, aber schwieriges Thema.
    Ähnelt sehr den Fragestellung in der Architektur, der Literatur, der Musik und den bildenden Künsten.

    Auch dort sind sich (quasi) alle (ausge-) bildeten der Fachrichtungen einig, dass es qualitativ gut gemachte Werke gibt, deren Qualität nicht von subjektivem Gefallen abhängt.

    Jedoch um diese Kriterien zu beschreiben fehlt es fast überall an allgemein verständlichem Wortschatz. Wobei allgemein sicher das operative Wort ist. Die Fachleute 'verstehen' sich da oft (was natürlich nicht unbedingt Einigkeit nach sich zieht).

    Da das komplexe Zusammenspiel und die Balance der Stilmittel/Zutaten und auch die 'handwerkliche' Perfektion verstanden werden wollen, braucht es hier wie dort wohl einen Grad des Verständnisses, der scher zu entschlüsseln ist.

    Ich denke, dass Du interessante Ansätze lieferst, aber selbst wenn Mathematiker (übrigens wohl auch nur theoretisch allgemeinverständlich) die Sonaten von Bach entschlüsseln können, so liegt ihr Zauber dann doch nicht allein in der Mathematik.

    Ich würde jetzt nicht mal soweit gehen zu sagen, dass mit entsprechenden 'Rezepten' nicht irgendwann Computer/Roboter tolle Musik, tolle Bilder oder tolle Speisen 'kreieren' werden - aber ich denke, dass der Versuch der 'Entschlüsselung' mich nicht weiter bringt.

    Obwohl ich es spanend finde ihn zu beobachten. :wink:

    "It is true that whisky improves with age. The older I get, the more I like it." (Ronnie Corbett) "There's nothing better than having a good dinner, a fine bottle of whisky and a bad girl." (unknown)
  • GuyIncognito User GuyIncognito Dabei seit: 13.01.2012Beiträge: 1,023Bewertungen: 2
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    Sehr schwieriges Thema und auch wissenschaftlich umstritten (gibt es ein paar Untersuchungen zu beim Thema Wein).

    Ich würde noch ein objektives Kriterium in den Raum werfen:
    - Produktionsqualität / Natürlichkeit: d.h. Verzicht auf Farbstoffe und Kühlfiltration
    - Freiheit von Fehlern: insb. unerwünschte Aromen (wobei das jetzt schon wieder subjektiv und abhängig von Brennerei, Faß, etc. ist)

    Spotty gefällt das
  • Dieter_W User Dieter_W Dabei seit: 28.11.2005Beiträge: 8,931Flaschensammlung:Bewertungen: 1
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    Hai.

    Sehr komplexes Thema Gloin, so wie ein Guter Whisky.:mrgreen:
    Muss mir was überlegen.

    Bis bald.

    Whisky  ist wie ein  Mensch , er verändert sich mit dem Alter .

           "Manchmal zum  Vorteil , manchmal zum Nachteil "


  • DerWels. User Dabei seit: 17.01.2011Beiträge: 418Bewertungen: 0
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    Guten Abend.
    Ein sehr interessante Thema, daß mir bei jeder Flasche durch den Kopf geht. Ist ein Whisky wirklich gut weil er eine ganze Reihe von Qualitätsmerkmalen erfüllt, oder weil er mir persönlich so gut schmeckt? Bei der Auswahl der Whiskys die ich mir kaufe sind für mich zuerst einige Standarts sehr wichtig, über die ich auch genau Bescheid wissen will. Alter, Fass, Rauch, Alkoholgehalt, OA oder UA ...
    Als Zweites höre ich mich nach ihm um, was über so geschrieben steht, oder was meine Bekannten von ihm halten. Wichtig ist mir dabei immer, daß der Whisky sein eigenes Provil hat. Einer der rauchig, fruchtig, würzig, blumig... ist, ist sicher sehr komplex und hochwertig, aber gerade das behaupten fast alle von sich, wodurch sie nach meiner Meinung auch eine ganze Menge Individualität einbüßen. Letztendlich muß er aber halten was er verspricht. Und dies darf nicht nur von einer handvoll Gurus herausgeschmeckt oder gerochen werden, sondern auch von mir als durchschnitts Nase.
    Gruß DerWels.

  • N.C.B. User N.C.B. Dabei seit: 10.08.2008Beiträge: 2,319Flaschensammlung:N.C.B.´s SamplearchivBewertungen: 89
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    Den Brennereicharakter mit einzubeziehen finde ich etwas schwierig, denn den wird z.B. ein Erstkonsument nicht (er)kennen können, unabhängig von der tatsächlichen Qualität des Produkts. Dies trifft natürlich nicht für den fortgeschrittenen Whiskykenner zu. Allerdings kann ein Whisky natürlich auch saulecker (und damit mMn qualitativ hochwertig) sein, wenn er einen typischen Charakter einer Brennerei vermissen lässt. Im Gegenteil, ich finde das mitunter sogar spannend. Vorausgesetzt natürlich, es handelt sich bei dem betreffenden Tropfen um einen UA, bei einem OA sollte der Brennereicharakter erkennbar sein.
    Kurz: Den Brennereicharakter sehe ich als zweischneidiges Schwert und würde ihn außen vor lassen.

    Generell denke ich, dass man bei der Qualitätsfrage bei einigen Kriterien zwischen einem gelegentlichen Whiskykonsumenten/Laien unterscheiden sollte, und jemandem, der sich regelmaßig mit dem Thema Whisky beschäftigt.

    Für den Laien wird das größte Qualitätsmerkmal wohl der eigentliche Geschmack des Whiskies sein. Schmeckt oder schmeckt nicht, das ist dann die Frage.
    Die Individualität und Fasscharakter sind sicherlich Kriterien, allerdingt auch eher für den fortgeschrittenen Konsumenten.

    Bei den Punkten Produktversprechen und gut/schlecht eingebundener Alkohol sind wir dann bei den Punkten, die mMn für alle gelten, denn einen sprittigen Schnapps wird vermutlich auch ein Laie erkennen und mit verzerrtem Gesicht als bääääähhh... abtun.

    Einen zusätzlichen Punkt, den ich noch einbringen möchte, ist die Komplexität bzw die Aromenvielfalt des Whiskies.
    Dies sind mMn Kriterien, die auch von der schmeckt/schmeckt nicht-Fraktion bewertet werden können.

    Hierzu ein Beispiel von zwei Whiskies, die mir schon in meinen frühesten Beginnerzeiten nicht schmeckten: der Loch Lomond (kennen wir aus jedem Supermarktregal) und den Glenfiddich 12 yo. Habe neulich ne Flasche von letzterem geschenkt bekommen und dachte mir, dass ich nun, nach einigen Jahren Whisky-Erfahrung, diesem vielleicht etwas mehr abgewinnen kann. Also Flasche entkorkt, nen dram eingeschenkt, geschnüffelt und gedacht: ok, könnte ja doch gar nicht so übel sein. Dann den ersten Schluck probiert und die Ernüchterung setzte ein. Geschmackliche langeweile pur.

    Gruß, Nils DON´T PANIC! Samples
  • Huibuh User Huibuh Dabei seit: 12.11.2011Beiträge: 1,783Bewertungen: 48
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    Grundsätzlich interessante Überlegungen, die Du Dir da machst, Gloin.

    Die Art des Fasses und die diesbezügliche, mögliche Feststellbarkeit finde ich nicht objektiv skalierbar. Damit dürfte das schonmal als Kriterium rausfallen.

    Achtung! Mit der Farbe nicht zu einfach machen: hat ein Whisky nicht schon von Natur aus die passende Farbe, so empfinde ich den kreativen Schaffensprozeß eben dieser Farbe durchaus auch als zusätzliches Qualitätskriterium und nicht umgekehrt!

    Letztendlich würde ich bei einem Genußmittel immer eine subjektive, mir schlüssigen Geschmacksbeschreibung einer objektiven Analyse vorziehen, um abschließend Deine Frage auch noch zu beantworten. Diese enthält die wertvollere Information für mich.

    "Part of the fun of discovering whiskies is to see how malts from different distilleries perform to age and type of cask. Happy discovering." (Jim Murray)


    Verkostungsnotizen (eine Auswahl):

    The Dalmore Trio
    The Dalmore Quartet

    The Dalmore Quintet
    The Dalmore 12 Sherry Cask Select

    The Dalmore Vintage 2008 bottled 2023


    O.I.N.K.!

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