Die hohe Kunst des Verkostens

Blindproben sind schwierig

Im Herbst vergangenen Jahres haben wir im The Whisky Store eine groß angelegte Studie mit Blindproben durchgeführt. Dazu wurden mögliche Probanden sowohl aus unserem Kundenstamm als auch unter den Forumsmitgliedern zur Teilnahme eingeladen. Insgesamt 111 Teilnehmer fanden sich.

Verkostet wurden insgesamt 1.331 Proben (12 pro Person). Die Proben waren einfach durchnummeriert und ließen keine Schlüsse über den Inhalt zu. Den Probanden wurde lediglich mitgeteilt, dass es sich um schottische Single Malt Whiskys aus verschiedenen Brennereien der verschiedenen Regionen in Trinkstärke handele.

Die Proben waren statistisch ausgesucht. 24 verschiedene Single Malt Whiskys wurden ausgewählt. Darunter befanden sich 10 Rauchige und 14 Nicht-Rauchige; 11 im Ex-Sherryfass Gereifte und 13 aus Ex-Bourbonfässern; 12 Originalabfüllungen und 12 von unabhängigen Abfüllern. Bei diesen 12 Proben von unabhängigen Abfüllern wurden jeweils vier von den Unternehmen bzw. Serien Signatory Vintage unchillfiltered Collection, McGibbon's Provenance und Ian MacLeod (Chieftain's und Dun Bheagan) ausgewählt. Die Preise der Flaschen variierten zwischen 29,90 EUR und 122,50 EUR.

Jeder Teilnehmer erhielt einen Fragebogen, auf dem er anonym Angaben zu seiner Person machen konnte. Dabei wurde sowohl sein Erfahrungsstand als auch seine Vorlieben in Bezug auf Essen und Trinken sowie beliebte Aromen abgefragt.

42% der Teilnehmer hatten bereits mehr als 100 verschiedene Single Malt Whiskys im Leben probiert. Weitere 22% der Probanden hatten jeweils 51-100 bzw. 31-50 Whiskys bereits verkostet. Rund Zweidrittel der Teilnehmer konnten damit auf einen Erfahrungsschatz von mehr als 50 Single Malt Whiskys zum Vergleich zurückblicken. Im Altersvergleich ergab sich eine schöne Verteilung von 30 bis 59 Jahren mit einer leichten Spitze im Alter von 40 bis 49 Jahren. 14% der Teilnehmer gaben an, Raucher zu sein.

Die Blindverkostung gilt als die Königsdisziplin unter den Verkostungswettbewerben. Um diese besondere Art der Verkostung, bei der man nur wenig oder gar nichts über den verkosteten Whisky weiß, ranken sich viele abenteuerliche Geschichten. Zum Beispiel, dass es Menschen gäbe, die mit wenigen Ausnahmen die verkosteten Whiskys sicher erkennen würden, oder dass jede Brennerei einen unverkennbaren Geschmack habe, oder dass der Inhalt von Standardabfüllungen immer gleich schmeckt. Doch alle diese Aussagen gehören in den Bereich der Märchenstunde. Whiskys blind zu verkosten ist über alle Maßen schwierig. Bei den meisten offiziell durchgeführten Blindverkostungen gibt es deshalb eine gewisse Vorabinformation über das Alter und die Region des zu bewertenden Whiskys. Nicht so in dieser Verkostung.

Entsprechend spärlich fiel auch die Erkennungsrate der Brennerei aus. Zwischen 0% und maximal 15% der Proben konnten durch die Probanden der richtigen Brennerei zugeordnet werden. Noch sind erst 25% der Proben ausgewertet und es zeichnet sich ab, dass die Erkennungsrate durchschnittlich unter 10% liegt.

Das primäre Ziel der Blindverkostung lag jedoch auf einem anderen Gebiet. Es existiert ein aktueller, ungebrochener Trend unter den Herstellern, mehr und mehr Whisky nicht kühlgefiltert abzufüllen. Diese Whiskys gelten als besonders natürlich, unverfälscht und geschmacklich besser. Meist werden sie auch teurer verkauft, obwohl in der Produktion ein Arbeitsschritt wegfällt. Vor 100 Jahren waren so gut wie alle Whiskys nicht kühlgefiltert. Klar, die Kältemaschine Carl von Lindes hatte noch nicht ihren Weg in die Welt gefunden. Es stellt sich jedoch die Frage, warum die Kältefiltration über die späteren Jahrzehnte zum Standard bei der Whiskyabfüllung werden sollte.

Ein Grund dürfte die sich immer weiter verbreitende Sitte gewesen sein, seinen Whisky on the Rocks, d.h. mit Eiswürfeln zu genießen. Und nicht kühlgefilterter Whisky wird nunmal aus physikalischen Gründen trübe, wenn man ihn z.B. mit Eiswürfeln kühlt. Ein anderer Grund könnte aber durchaus ein angenehmerer Geschmack für die Breite der Konsumenten gewesen sein. Denn durch die Kühlfilterung werden bestimmte Geschmacksträger aus dem Whisky gefiltert.

Heute sehnt sich ein Teil der westlichen Welt zurück zum Authentischen. Alte Apfel-, Tomaten- und Getreidesorten steigen in der Gunst des Konsumenten. Single Malt Whisky ist da nicht anders. Nicht kühlgefilterter Whisky eilt von Absatzrekord zu Absatzrekord. Doch schmeckt er wirklich besser? Oder geht es hier nur um das Gefühl, ein etwas weniger 'verarbeitetes' Genussmittel vor sich zu haben? Kann der Gedanke an eine Ursprünglichkeit die Geschmacksempfindungen des Genießers übersteuern?

Genau dies war die erste Fragestellung, die mit dieser Blindverkostung beantwortet werden sollte. Alle zur Blindverkostung ausgewählten Flaschen enthielten nicht kühlgefilterte Whiskys. Die erste Hälfte der Proben wurde unverändert abgefüllt. Die zweite Hälfte wurde dagegen im Labormaßstab einer Kältefiltration unterzogen. Die Whiskys wurden durch eine Chromatographiesäule mit einem Zellulosefilter und Kieselgur, genauso wie man es in Schottland in groß macht, in einem Kühlschrank einer Kältefiltration unterzogen. Jeder Proband erhielt damit die doppelte Probenanzahl. Den selben Whisky einmal kühlgefiltert und einmal nicht kühlgefiltert.

Noch sind erst ein kleiner Teil der Proben ausgewertet. Es zeigt sich ein sehr durchwachsenes Bild. Während das Alter und die Bestimmung des Verkaufspreises tendenziell in die richtige Richtung geht, ist es bei der Kühlfilterung anders. Schon bei der Durchsicht der ersten Daten kann mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Identifikation von nicht kühlgefilterten Flaschen alles andere als leicht ist. Bei einem großen Teil der Proben wird die durchgeführte Kühlfilterung genauso wenig richtig erkannt, wie deren Fehlen bei der anderen. Besonders interessant wird es, ob die nicht kühlgefilterte oder eben die kühlgefilterte Probe vom Geschmack her besser bewertet wurde. Auch hier zeigt sich bei bislang 12 ausgewerteten Proben kein einheitliches Bild.

Darüber hinaus, gibt es noch weitere interessante Zusammenhänge in den Daten zu finden. Wenn z.B. Proben einer falschen Brennerei zugeordnet wurden, so hat der Proband Aussagen hinsichtlich seiner Erwartung dieses Whiskys abgegeben. Wenn er also sagt, 'dieser Whisky stammt von Glendingsbums' und gibt ihm magere zwei Qualitätspunkte, so sagt er implizit in erster Näherung, dass die Brennerei ihm als Ganzes nur zwei Qualitätspunkte wert ist. Aus diesen Daten lässt sich rückwärts eine Qualitätsreihenfolge aufstellen.

Wir haben auch Einordnungen hinsichtlich Färbung, Einzelfassabfüllungen und unabhängigen Abfüllern gestellt. Auch in diesem Umfeld werden sich interessante Ergebnisse finden lassen.

Es bleibt spannend. Wir werden Sie in den kommenden Monaten über die Ergebnisse dieser Studie weiter informieren.