Gute Nachrichten für Whisky-Genießer

Die Menge der unabhängigen Whiskys steigt

Im Oktober waren wir von Whisky.de in Schottland. Für einen Urlaub ist diese Jahreszeit nicht wirklich geeignet. Der Herbst in den Highlands ist meist neblig, nass und kühl. Man merkt auch sehr schnell, dass man sich weit im Norden befindet. Morgens wird es nicht richtig hell und abends dafür schon sehr früh dunkel. Gerade mal 9 Stunden befindet sich die Sonne über dem Horizont.

Unser Hauptaugenmerk richtete sich auf die zwei neuen Malt Whisky-Brennereien, die kurz vor dem Anlauf stehen. Zum ersten besuchten wir die beinahe fertig gestellte Aberargie Brennerei in den Lowlands, nahe Perth. Ein Video des Besuchs folgt in den kommenden Wochen in unserem Blog. Wenn Sie diese Zeilen lesen, dann sollte der erste Brand bereits erfolgt sein. Wir durften die Brennerei besichtigen und es fehlten nur noch die letzten Rohrleitungen.

Die zweite Brennerei entsteht auf dem Gelände der Edradour Brennerei im malerischen Ort Pitlochry. Sie wird exakt so ausgerüstet sein, wie die alte Edradour Brennerei. Das heißt identische Brennblasen, gefertigt nach den 60 Jahre alten Plänen und auch die restliche Ausrüstung entspricht weitgehend der alten Brennerei. All das stellt sicher, dass der neue Rohwhisky exakt dem alten Vorbild entspricht. Die Brennblasen und die Mashtun standen bereits. Es fehlten nur noch die Washbacks, die aktuell installiert werden. Noch in diesem Jahr soll der erste Brand erfolgen.

Was hat das beides nun mit unabhängigen Abfüllern zu tun? Ganz einfach - Aberargie wurde vom unabhängigen Abfüller Morrison & MacKay (Càrn Mòr) errichtet und die treibende Kraft hinter der Edradour Brennerei II ist der unabhängige Abfüller Signatory Vintage.

Warum engagieren sich unabhängige Abfüller mit eigenen Brennereien? Haben sie nicht ausreichend genug mit ihren Abfüllungen zu tun? Nun – eine Brennerei baut man nicht von heute auf morgen. Es gibt extrem lange Vorlaufzeiten, während derer man sich um mögliche Bauplätze und erforderliche Genehmigungen kümmern muss. Und dann wollen solche Millionenprojekte auch finanziert werden. Erst danach kann man sich um die Bestellung der Ausrüstung kümmern. Besonders die Brennblasen brauchen ihre Zeit.

Ausgelöst wurde die Bewegung hin zu eigenen Brennereien um das Jahr 2000. Mehrere große Konzerne gaben damals im ersten Whiskyboom bekannt, dass sie den Verkauf von Rohwhisky an unabhängigen Abfüller eingestellt hätten. Die Erfüllung von Verträgen mit Blendern bliebe davon jedoch unberührt. Es sah so aus, als ob die unabhängigen Abfüller damit ausgetrocknet werden sollten. Gordon & MacPhail, die bereits zuvor die still liegende Brennerei Benromach gekauft hatten, nahmen sie 1998/99 wieder in Betrieb. Und Signatory Vintage kaufte im Jahr 2002 die Edradour Brennerei. Diese Vorgehensweise war nichts anders als logisch. Als unabhängige Abfüller kennen sie den Markt und wissen auch, was guten Whisky ausmacht. Eine eigene Brennerei zu errichten, war der sinnvollste Schritt, um das eigene Geschäft zu erhalten. Recht hatten sie.

Im Windschatten dieser beiden Brennerei-Übernahmen entwickelten mehr als ein Dutzend Kleinunternehmen eigene Projekte zum Aufbau von Brennereien. 2016 konnten wir Ihnen Videos der wieder aufgebauten Lowland-Brennereien von Kingsbarns und Annandale zeigen.

Auch die großen Konzerne mit ihren Brennereien waren nicht untätig und erweiterten hurtig ihre Kapazitäten. Mit Roseisle, Dalmunach und einem riesigen zusätzlichen Neubau bei Glenlivet entstanden neue, frische und effektive Anlagen, die die Produktion massiv ausweiteten und das Angebot an frischem Malt Whisky in die Höhe trieben.

Wie beim Schweinezyklus (erstmals wissenschaftlich beschrieben 1927 von Arthur Hanau) kam es 2007 durch die Finanzkrise zu einem massiven Überhang an Produktionskapazitäten. Und da schlug die Stunde der unabhängigen Abfüller. Endlich war wieder freier Rohwhisky am Markt erhältlich, mit dem sie ihre Fässer wieder füllen konnten.

Des einen Freud, des anderen Leid. In den vergangenen fünf Jahren sind ein rundes Dutzend neue, kleine Brennereien in Betrieb gegangen (Ardnamurchan, Ballindalloch, Eden Mill, Harris, Wolfburn, ...). 2017/2018 sollen noch Torabhaig (Skye), Isle of Raasay Distillery, Toulvaddie (Tain), Lindores Abbey (Newburgh) und Clydeside (Glasgow) die Produktion aufnehmen.

Der Markt ist voll mit guten Single Malt Whisky. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle diese neuen Brennereien überleben werden, ist nicht sehr hoch. Dennoch sind dies gute Zeiten für den Whiskyliebhaber. Er kann aus viel mehr Whiskys auswählen und auch die Preise werden sich durch das Überangebot im Rahmen halten.

Auf unserer Reise durch Schottland durften wir das tun, was nur ganz Wenige in Schottland machen dürfen. Wir streiften durch die alten Dunnage Warehouses zweier extrem berühmter Brennereien und suchten Whiskys für das 25-jährige Jubiläum von Whisky.de (geründet 1993 als The Whisky Store) aus. Man öffnet dazu nicht wahlweise beliebige Fässer, sondern ausgehend von den lückenlosen Datenbanken der Fässer - der Zoll schreibt es vor - trifft man eine Vorauswahl, aus der man dann die richtigen nach ihrem Geschmack selektiert.

Im kommenden Jahr werden wir bei Whisky.de eine Vielzahl an neuen Abfüllungen zum Jubiläum präsentieren können. Freuen Sie sich darauf.